Regierungschaos in Italien Luigi Di Maio, das brave Gesicht der 5-Sterne-Bewegung

Rom · Luigi Di Maio ist der Hoffnungsträger der italienischen Protestbewegung und sollte Matteo Renzi beerben. Nun stolpert er über eine Staatsaffäre.

 Luigi Di Maio hatte in der Affäre um Bürgermeisterin Raggi keine rühmliche Rolle.

Luigi Di Maio hatte in der Affäre um Bürgermeisterin Raggi keine rühmliche Rolle.

Foto: picture alliance / dpa

Wenn von der 5-Sterne-Bewegung in Italien die Rede ist, kommt den meisten das struppige Gesicht des Gründers Beppe Grillo in den Sinn. Grillo ist 68 Jahre alt und weiß, dass er nicht ewig die Zügel seiner Kreatur in den Händen halten kann. Also baute der Komiker eine Reihe von Nachfolgern auf, von denen Luigi Di Maio der bekannteste ist. Der 30 Jahre alte Informatiker und Jurastudent ist das brave, vertrauenswürdige Gesicht der 5-Sterne-Bewegung. War, muss es vielleicht nach den Chaostagen von Rom heißen.

Dort hat die Bürgermeisterin Virginia Raggi alle Mühe, überhaupt mit dem Regieren in der von jahrelangem Missmanagement gezeichneten italienischen Hauptstadt zu beginnen. Zwei Monate nach der Kommunalwahl scheinen sich viele Vorsätze der 5-Sterne-Politikerin im Nichts aufzulösen. Mehrere Mitglieder der Stadtregierung sowie die Spitzen von Verkehrsbund und Müllabfuhr traten wegen Differenzen mit der Chefin zurück.

Anfang dieser Woche schlitterte die 5-Sterne-Bewegung dann in ihre erste große Krise, hinter der sich die Frage auftut, wie dilettantisch das Personal der Partei eigentlich ist. Am Montag wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft bereits seit Monaten gegen Raggis Umweltreferentin Paola Muraro wegen Unregelmäßigkeiten bei der Müllentsorgung ermittelt und einige Parteispitzen diese Tatsache vertuschten. Dabei waren Ehrlichkeit und Transparenz die Pfunde, mit denen die 5-Sterne-Bewegung wuchern wollte.

Auch die Karriere des Parlamentsabgeordneten Di Maio ist von der Affäre bedroht. Der Ferrari-Fan aus Pomigliano d'Arco bei Neapel galt als wahrscheinlicher Herausforderer von Ministerpräsident Matteo Renzi. In Umfragen lag die 5-Sterne-Bewegung zuletzt gleichauf mit Renzis Sozialdemokraten. Eine Amtsübernahme durch Di Maio im Wahljahr 2018 schien nicht unwahrscheinlich. Der stellvertretende Vorsitzende des Abgeordnetenhauses feilte nicht zufällig an seinem Profil als Staatsmann und traf sich mit den Botschaftern zahlreicher EU-Länder in Rom.

In der Affäre um Bürgermeisterin Raggis Umweltreferentin aber machte Di Maio eine schlechte Figur. Er wurde von den Ermittlungen gegen Muraro informiert, behielt diese Nachricht entgegen des selbstauferlegten Transparenzgebots aber für sich.

Als Neu-Ministerpräsident Renzi vor zweieinhalb Jahren Di Maio im Abgeordnetenhaus Zettelchen mit dem Angebot parteiübergreifender Zusammenarbeit schickte, veröffentlichte der Adressat diese Nachrichten übereifrig. Die Publikation sollte der Öffentlichkeit als Zeichen seiner Unabhängigkeit dienen, die er jetzt vermissen ließ. „Ich habe einen Fehler gemacht“, gestand Di Maio nun beim ersten öffentlichen Auftritt nach der Raggi-Affäre, zu dem auch Gründervater Grillo geeilt war. Die Bürgermeisterin dürfe weiterarbeiten, würde aber besser überwacht, hieß es. Auch an der Umweltreferentin hält man bis auf Weiteres fest.

An der Basis der politischen Alternativbewegung rumort es hingegen. Protestiert wird etwa gegen das von Grillo und seinem vor Monaten verstorbenem Kompagnon Gianroberto Casaleggio eingesetzte fünfköpfige Führungsgremium, zu dem auch Di Maio zählt: Eine undemokratisch eingesetzte kleine Gruppe könne nicht ein zur großen politischen Bewegung angewachsenes Subjekt koordinieren.

Grillo wollte sich eigentlich Stück für Stück von den 5 Sternen zurückziehen, sieht sich aber immer wieder zum Eingreifen gezwungen. Wie es scheint, ist die Kreatur immer noch nicht flügge.

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