EU äußert sich verhalten London: Grenzkontrollen zu Irland nach Brexit verzichtbar

London · Mit dem Brexit will die Regierung in London auch die Zollunion und den EU-Binnenmarkt verlassen. Das bringt Probleme für die offene Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Landesteil Nordirland. Ein Vorstoß aus London trifft in Brüssel auf Skepsis.

 Ein LKW fährt auf der Autobahn durch die Grenze zwischen Irland und Nordirland.

Ein LKW fährt auf der Autobahn durch die Grenze zwischen Irland und Nordirland.

Foto: Mariusz Smiejek/Archiv

Die britische Regierung sieht trotz Brexits keinen Bedarf für Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Landesteil Nordirland.

Das geht aus einem Positionspapier für die Verhandlungen mit Brüssel hervor, das am Mittwoch vom Brexit-Ministerium in London veröffentlicht wurde. Die EU-Kommission äußerte sich zurückhaltend zu den Vorschlägen.

Die knapp 500 Kilometer lange Grenze wird täglich von 30 000 Menschen ohne Pass- und Warenkontrollen passiert. Eine Rückkehr zu einer befestigten Grenze nach der Trennung von der Europäischen Union schloss die britische Regierung aus. Es werde "keine physische Infrastruktur jeglicher Art an der Grenze" geben, so Premierministerin Theresa May.

Stattdessen könnte - so der Vorschlag aus London - ein neues Zollabkommen mit der EU so ausgestaltet werden, dass Grenzposten unnötig würden. Die britische Regierung will sich insbesondere bei Agrarprodukten und Lebensmitteln mit der EU auf gemeinsame Standards einigen, um Kontrollen zu vermeiden. Das könnte Schwierigkeiten aufwerfen, da London neue Freihandelsabkommen mit Ländern wie den USA, China und Indien schließen will, deren Produktstandards sich stark von den europäischen unterscheiden.

Britische und irische Staatsbürger sollen sich zudem weiterhin ungehindert zwischen Großbritannien und Irland bewegen können. Wie London die Einreise anderer Staatsbürger kontrollieren will, blieb offen.

Die Reaktion aus Brüssel war verhalten. "Es ist unbedingt notwendig, dass wir erst einmal eine politische Diskussion haben, bevor wir uns mögliche technische Lösungen anschauen", sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Mittwoch.

Die Republik Irland und Nordirland fürchten durch die neue EU-Außengrenze wirtschaftliche Einbußen und dass alte Wunden in der früheren Bürgerkriegsregion aufgerissen werden. Die EU-Mitgliedschaft beider Teile der irischen Insel und der freie Grenzverkehr waren wichtige Bausteine für den Friedensschluss im Karfreitagsabkommen von 1998. Im Nordirland-Konflikt kämpften pro-irische Katholiken unter Führung der Untergrundorganisation IRA gegen pro-britische Protestanten. Tausende Menschen kamen damals ums Leben.

Den Vorschlag der Republik Irland, die Grenzkontrollen an Häfen und Flughäfen der geteilten Insel zu verlegen, erteilte London eine klare Absage. Das sei "total inakzeptabel", sagte May.

Bei vielen Politikern aus Nordirland und der Republik Irland stieß das Positionspapier auf Kritik. Sie bezeichneten die Vorschläge als realitätsfern und bemängelten das Fehlen von Absprachen: Nordirland hat seit mehreren Monaten keine Regionalregierung mehr. Die bisherigen Koalitionspartner sind verkracht; mehrere Fristen zur Regierungsbildung in dem Landesteil sind bereits verstrichen.

London will neben der EU auch den Europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Dadurch soll das Land in die Lage versetzt werden, neue Handelsabkommen mit Drittländern wie den USA oder China abzuschließen. Bisher hat nur die EU das Recht, Handelsabkommen für die Zollunion zu schließen. Einmal im gemeinsamen Zollgebiet, müssen Waren nicht mehr verzollt werden, wenn sie über eine Landesgrenze gebracht werden. Im Falle Großbritanniens würde sich das nach dem Brexit ändern. Grenzkontrollen wären nötig.

Bereits am Dienstag hatte London Pläne für ein künftiges Zollabkommen zwischen der EU und Großbritannien vorgelegt. Demnach sollten die Kontrollen entweder weitgehend elektronisch abgewickelt werden oder bereits vor dem Grenzübertritt stattfinden. Außerdem soll es eine Übergangsphase geben, in der weitgehend alles beim alten bleibt.

Die EU-Kommission begrüßte die Positionspapiere. Natürlich würden sie schon jetzt sorgfältig analysiert, hieß es. Die Sprecherin der EU-Kommission verwies aber am Mittwoch nochmals auf das Grundprinzip, über künftige Beziehungen zu Großbritannien erst zu sprechen, wenn "ausreichender Fortschritt" bei den Diskussionen über die Trennungsfragen erreicht ist. Dazu gehören auch finanzielle Forderungen gegenüber London und die Bleiberechte von 3,2 Millionen EU-Bürgern im Königreich und der 1,2 Millionen Briten in der EU.

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