Regierungsbildung in den USA Liebesgrüße nach Moskau

Washington · Donald Trump und sein Russland-freundlicher Außenminister-Kandidat Rex Tillerson sorgen für neue Irritationen. Moskau zeigte sich geradezu euphorisch über die Nachricht aus dem Land des Klassenfeindes.

 Ein Ölmanager mit besten Beziehungen zu Wladimir Putin soll künftig die US-amerikanische Außenpolitik bestimmen: Rex W. Tillerson, Chef des Ölriesen ExxonMobil.

Ein Ölmanager mit besten Beziehungen zu Wladimir Putin soll künftig die US-amerikanische Außenpolitik bestimmen: Rex W. Tillerson, Chef des Ölriesen ExxonMobil.

Foto: dpa

Wenn Donald Trump in die Bredouille gerät, wenn seine weltweiten Geschäftsbeziehungen in die Schlagzeilen geraten, lenkt der künftige Präsident Amerikas gern mit neuen Personalien ab. So auch gestern, als er erst den Chef des Ölriesen ExxonMobil, Rex Tillerson (64), als Außenminister nominierte. Und später mit Rick Perry (66), Ex-Gouverneur und im Wahlkampf noch Trump-Gegner, einen weiteren Texaner mit der Position des Energieministers betraute.

Plötzlich redete kaum mehr jemand darüber, dass Trump eine lange versprochene Pressekonferenz stickum auf Januar verschob. Trump wollte eigentlich am Donnerstag Auskunft darüber geben, wie er sein auf vier Milliarden Dollar taxiertes Firmengeflecht ethisch und rechtlich so unbedenklich von sich abtrennt, dass ihm im Oval Office nicht ständig Interessenkonflikte vorgeworfen werden können.

Da haben Trump und Tillerson nach Ansicht führender Republikaner manches gemein. Beide sind schwer reich. Tillersons Abschiedspaket bei ExxonMobil wird auf knapp 400 Millionen Dollar geschätzt. Er reiht sich damit nahtlos ein ins Gefüge der auffällig vielen Milliardäre und Multimillionäre, mit denen Trump sein Kabinett besetzt hat. Vermögenswerte zusammengerechnet schon heute: um die 20 Milliarden Dollar. Und der nächste Kandidat der Wall Street steht schon im Wartestand. Der Präsident der Großbank Goldman Sachs, Gary Cohn, wird oberster Wirtschaftsberater.

Während Trump Tillerson als „Weltklassespieler“ bezeichnet („Seine Hartnäckigkeit, große Erfahrung und profunde Kenntnis der Geopolitik machen ihn zu einer ausgezeichneten Wahl“), sehen Wortführer im Parlament wie John McCain in den engen Geschäftskontakten Tillersons zu Russlands Präsident Wladimir Putin ein „ernstes Problem“. Der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat aus Arizona kündigte für die anstehenden Anhörungen im Senat Sperrfeuer an. Dort ist die erforderliche Zustimmung nicht sicher. Stimmen vier Senatoren von republikanischer Seite dagegen – schon wäre der Kandidat gescheitert.

Unter Tillersons Führung hat der weltgrößte private Ölkonzern seine Geschäfte in Russland massiv ausgebaut. Putin schätzt die auf Berechenbarkeit setzende Ein-Mann-ein-Ehrenwort-Haltung Tillersons. Er belohnte den leidenschaftlichen Pferdezüchter, der die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim und der Verwicklung in den Ukrainekonflikt ablehnt, 2013 mit dem Orden der Freundschaft. Moskau zeigte sich geradezu euphorisch über die Nachricht aus dem Land des Klassenfeindes. Tillerson sei „pragmatisch“, ein „solider Profi“.

Vielen Kongressabgeordneten kommen solche Attribute so gar nicht in den Sinn. Seit durch strittige US-Geheimdienst-Berichte bekannt ist, dass Putin-hörige Computerhacker sich pro Trump massiv in die Präsidentschaftswahl eingeschaltet haben sollen, herrscht Alarmstimmung. Von Untersuchungsausschüssen ist die Rede. „Die Sorge, dass durch Tillerson noch mehr Verständnis für Russland in die amerikanische Außenpolitik einzieht, ist groß“, heißt es bei den Demokraten. Auch EU-Abgesandte in Washington sehen bang in die Zukunft: „Unter Trump und Tillerson werden die Sanktionen gegen Putin wohl nicht mehr lange Bestand haben.“

Dass Trump am Ende des an eine TV-Casting-Show erinnernden Auswahlverfahrens auf Tillerson verfiel, geht kurioserweise auf etablierte Republikanerkreise zurück, die Trump im Wahlkampf noch als Wurzel allen Übels bezeichnet hatte. Die früheren Außenminister James Baker und Condoleezza Rice wie auch der ehemalige Verteidigungsminister Bob Gates warfen sich für den ruppig wirkenden Ingenieur ins Zeug. Den Rest besorgte das Bauchgefühl.

Trump, selbst Alphamännchen, ließ sich von dem polyglotten Manager, der mit Staats- und Regierungschefs in mindestens 50 Ländern persönlich bekannt ist, am Wochenende bei einem Essen in New York beeindrucken. Der frühere Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, der sich bis zur Selbstverleugnung Hoffnungen auf den Chefposten im State Departement gemacht hatte, ging leer aus.

US-Medien loben die erwiesene Weltgewandtheit und Manager-Qualität Tillersons, der anders als Trump kein Klimawandel-Zweifler ist. Gleichwohl bestünden „große Angriffsflächen“, weil seine enge Putin-Öl-Connection die Glaubwürdigkeit auf dem diplomatischen Parkett verschatten könne. Dass nach dem politischen Greenhorn Trump ein ebenso regierungsunerfahrener Mann das Außenministerium übernimmt, sei ein „Grund zur Beunruhigung“. US-amerikanische Beobachter sehen in der Konstellation ein Einfallstor für Scharfmacher wie den Nationalen Sicherheitsberater, Ex-General Michael Flynn, der sich als Iran- und Islamfeind positioniert hat.

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