Großbritannien Labour-Chef wirft Johnson Machtmissbrauch vor

London · Jeremy Corbyn, britischer Oppositionsführer und Labour-Chef, wirft dem Premierminister vor, er wolle einen No-Deal-Brexit gegen den Willen des Parlaments durchsetzen.

 Jeremy Corbyn ist Vorsitzender der Labour Partei in Großbritannien.

Jeremy Corbyn ist Vorsitzender der Labour Partei in Großbritannien.

Foto: Stefan Rousseau/PA Wire

Der britische Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn hat Boris Johnson scharf angegriffen und ihm unterstellt, er verfolge einen „unerhörten, verfassungswidrigen und anti-demokratischen Machtmissbrauch“. Er wirft dem Premierminister vor, er wolle einen No-Deal-Brexit gegen den Willen des Parlaments durchsetzen und zugleich dem britischen Volk eine Mitsprache verwehren. In einem Brief an den Kabinettssekretär Sir Mark Sedwill verlangte Corbyn von dem Chefbeamten, Johnson in die Arme zu fallen.

Hintergrund des Streits sind durchgesickerte Pläne aus der Downing Street, wie man auf Manöver des Parlaments zur Verhinderung eines No-Deal-Brexit reagieren würde. Wenn das Unterhaus am 3. September aus der Sommerpause zurückkehrt, will Labour einen Misstrauensantrag gegen Johnson stellen. Da der Premierminister auch mit der Unterstützung durch die nordirische DUP nur eine Mehrheit von einer Stimme hat, ist ein Sturz der Regierung möglich. In diesem Fall hätte das Unterhaus 14 Tage Zeit, sich auf eine andere Regierung zu einigen. Gelingt dies nicht, müssen Neuwahlen stattfinden. Die könnten dann frühestens am 24. Oktober stattfinden, eine Woche vor dem Brexit-Termin.

Die Queen soll in Pläne eingebunden werden

Johnson, protestierte Corbyn in seinem Brief an den Chef des Beamtenapparates, plane, die Wahlen bis nach dem 31. Oktober hinauszuzögern. Dann wäre Großbritannien schon ohne Vertrag ausgeschieden. Laut der ungeschriebenen Verfassung Großbritanniens hat allein der Premierminister das Recht, der Queen den Wahltermin vorzuschlagen. Doch es verstoße gegen eine andere Regel der ungeschriebenen Verfassung, argumentiert Corbyn, wenn eine Regierung während der Wahlkampfperiode etwas unternimmt, was eine neue Regierung ablehnen würde. In einen ungeregelten Austritt mit all seinen Konsequenzen einzutreten, falle sicherlich darunter: „Eine Labour-Regierung wird niemals einen No-Deal-Brexit unterstützen.“

Im Land setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass es Johnson mit seinem Versprechen, am 31. Oktober die EU verlassen zu wollen, ernst meint und ein No Deal wahrscheinlicher wird. Die Brexit-Freunde erfreut das, alle anderen sind entsetzt über die Aussicht, am 1. November aus allen rechtlichen Bindungen mit der EU herauszufallen. Deswegen bekommen parteiübergreifende Initiativen, wie der No Deal verhindert werden könnte, deutlich Zulauf. Hinterbänkler aus allen Fraktionen wollen sich zusammenscharen, um im September ein Gesetz zu verabschieden, das die Regierung anweisen würde, um eine Fristverlängerung in Brüssel zu bitten.

Es gibt auch Überlegungen, die Queen einzuspannen: Sie solle zu dem EU-Gipfel im Oktober reisen und dort als Staatsoberhaupt die Verlängerungsbitte einreichen.

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