Das deutsch-türkische Verhältnis Kurdendemo von Köln verschärft Konfrontation

Istanbul · Der türkische Präsident Erdogan wirft Deutschland vor, Terrorismus zu unterstützen. Verärgert ist die Regierung in Ankara auch deshalb, weil die deutschen Behörden eine Demonstration in Köln nicht verhindert haben.

 Bilder des zu lebenslanger Haft verurteilten Anführers der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, auf Fahnen und auf der Bühne beim kurdischen Kulturfestival in Köln. Das Zeigen von Öcalan-Porträts ist in Deutschland verboten. FOTO: DPA

Bilder des zu lebenslanger Haft verurteilten Anführers der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, auf Fahnen und auf der Bühne beim kurdischen Kulturfestival in Köln. Das Zeigen von Öcalan-Porträts ist in Deutschland verboten. FOTO: DPA

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Sahin Alpay ist ein angesehener Politologe und ein scharfsinniger Beobachter – doch aus Sicht des türkischen Staates ist der 73-Jährige vor allem ein gefährlicher Terrorist. Zusammen mit mehr als zwei Dutzend weiteren Journalisten und Kommentatoren muss sich Alpay ab diesem Montag nach mehr als einem Jahr Untersuchungshaft als mutmaßliches Mitglied einer Terrororganisation vor Gericht verantworten.

Die bloße Tatsache, dass er und die anderen Angeklagten für Medien schrieben, die zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gehörten, genügt der Staatsanwaltschaft für eine Anklage. Es ist der bisher größte Prozess gegen Medienvertreter seit dem Putschversuch des vergangenen Jahres – doch die türkische Regierung ist nicht in der Stimmung, auf Einwände aus Deutschland und anderen westlichen Staaten wegen des Drucks auf Andersdenkende zu hören.

Die Bundesrepublik, einst als engster Partner der Türkei im Westen gesehen, hat sich in den Augen von Präsident Recep Tayyip Erdogan und anderen türkischen Regierungspolitikern von Freund zum Schurken gewandelt. Deutschland sei heute ein „Land, das dem Terrorismus hilft“, sagte Erdogan vorige Woche.

Eindruck Erdogans gefestigt

Die Aufnahme von Gülen-Anhängern oder regierungskritischen Journalisten aus der Türkei sowie Ereignisse wie die Kundgebung von Anhängern der auch in Deutschland verbotenen kurdischen Terrororganisation PKK in Köln am Wochenende haben diesen Eindruck bei Erdogan und anderen gefestigt. Erdogans Parteifreund Mustafa Yeneroglu veröffentlichte auf Twitter mehrere Bilder von der Kölner Demo, auf denen die – in Deutschland eigentlich verbotenen – Embleme und Bilder PKK zu sehen waren. Die Bundesrepublik mache sich bei ihrem Umgang mit der PKK lächerlich, meint Yeneroglu. Wenn deutsche Politiker wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagten, sie unternähmen alles, um PKK-Aktivitäten auf deutschem Boden zu unterbinden, dann sei das „wie ein Witz“.

Anhänger der türkischen Regierung beklagen zudem, dass sich in Deutschland ein anti-türkisches gesellschaftliches Klima entwickelt hat. „Türken, die ihre Unterstützung für Erdogan aussprechen, werden in ihrem Alltag in Deutschland beleidigt, gemobbt und ausgegrenzt“, schrieb der Erdogan-nahe frühere Europaabgeordnete Ozan Ceyhun kürzlich in der Zeitung „Daily Sabah Deutsch“.

Krise auch unter neuer Bundesregierung fortsetzen

Auch nach der Bundestagswahl am kommenden Sonntag wird das so weitergehen, erwartet Ankara. „Uns interessiert nicht besonders, ob jetzt dieser oder jener die Wahl gewinnt“, sagte Erdogan. Die regierungsnahe Presse in seinem Land hat sich besonders auf Bundesaußenminister Sigmar Gabriel eingeschossen, doch auch über Martin Schulz oder Angela Merkel ist in Ankara nichts Positives mehr zu hören.

Tatsächlich dürfte sich die Krise auch unter einer neuen Bundesregierung fortsetzen. Merkel und Schulz haben im Wahlkampf wegen der Inhaftierung deutscher Staatsbürger in der Türkei eine härtere Gangart gegenüber der Erdogan-Regierung angekündigt. Politisches Gewicht hat insbesondere die Ankündigung der Kanzlerin, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei einzuschränken. Wenn Deutschland zum Beispiel staatliche Kreditgarantien für Türkeigeschäfte reduziert oder ganz einstellt, könnte das die Türkei schwer treffen. Der geplante Ausbau der Zollunion zwischen der EU und der Türkei soll auf deutschen Wunsch hin gestoppt werden.

Für Erdogan bildet diese Haltung ein potenziell großes innenpolitisches Risiko. Sein Erfolg als Politiker basiert nicht zuletzt auf dem Aufschwung, den die Türkei in den letzten anderthalb Jahrzehnten unter seiner Führung erlebt hat. Eine Flucht ausländischer Investoren oder ein Rückgang im Austausch mit dem größten Handelspartner Deutschland zwei Jahre vor der türkischen Präsidentenwahl im Jahr 2019 könnten den Staatschef in die Bredouille bringen.

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