US-Regierungsvertreter wollen mit türkischer Regierung sprechen Krise zwischen USA und Türkei durch US-Truppen in Syrien verstärkt

Istanbul · Die Krise zwischen Washington und Ankara aufgrund der Lage in Syrien hat inzwischen solche Ausmaße erreicht, dass gleich drei ranghohe US-Regierungsvertreter zu Gesprächen mit der türkischen Regierung entsandt werden.

US-Generalleutnant Paul Funk richtete eine klare Warnung an mögliche Gegenspieler seines Landes in Syrien: „Wenn ihr uns angreift, werden wir aggressiv zurückschlagen“, sagte der Kommandant der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des Islamischen Staates (IS). „Wir werden uns verteidigen.“ Doch Funk sprach bei einem Besuch im nordsyrischen Manbidsch vor einigen Tagen nicht über den IS – er sprach über den Nato-Partner Türkei, der seit Wochen den Rückzug der US-Truppen aus Manbidsch verlangt. Der General machte laut US-Medienberichten deutlich, dass er nicht daran denkt, die türkische Forderung zu erfüllen. In Manbidsch könnten deshalb bald türkische und amerikanische Soldaten aneinander geraten.

Die Krise zwischen Washington und Ankara wegen der Lage in Syrien hat inzwischen solche Ausmaße erreicht, dass gleich drei ranghohe US-Regierungsvertreter zu Gesprächen mit der türkischen Regierung entsandt werden. Präsident Donald Trumps Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster wird an diesem Wochenende zu Gesprächen in der Türkei erwartet, Außenminister Rex Tillerson soll kommende Woche folgen. Verteidigungsminister James Mattis trifft ebenfalls in den kommenden Tagen seinen türkischen Kollegen Nurettin Canikli in Brüssel. Das Vertrauen zwischen den beiden Ländern sei beschädigt, sagt Tillersons türkischer Kollege Mevlüt Cavusoglu.

Anti-IS-Front verfällt zusehends

Die Frage ist, ob McMaster, Tillerson und Mattis viel daran ändern können. Nachdem der militärische Kampf den IS, der bisher Amerikaner, Russen und andere Akteure zusammenschweißte, größtenteils gewonnen ist, zerfällt die Anti-IS-Front zusehends. Die USA etwa haben angekündigt, auf Dauer in Syrien militärisch präsent bleiben und eine 30 000 Mann starke Schutztruppe aufbauen zu wollen. Das führt zu Spannungen mit Russland. Nach dem jüngsten US-Luftangriff auf regierungstreue syrische Truppen östlich des Euphrat warf Moskau der Regierung in Washington vor, ihr gehe es nur um die Kontrolle über die Ölquellen in der Gegend.

Auch mit der Türkei gibt es Streit. Washington unterstützt in Syrien den kurdisch-arabischen Milizenverband SDF, bei dem die kurdische Truppe YPG eine wichtige Rolle spielt, doch die Türkei betrachtet die YPG als syrischen Ableger der PKK-Kurdenrebellen und damit als Terrorgruppe. Seit dem 20. Januar gehen türkische Truppen im nordwestsyrischen Afrin gegen die YPG vor, und Manbidsch soll das nächste Ziel des Vorstoßes sein. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan forderte vor einigen Tagen erneut den Rückzug von Funks US-Soldaten aus Manbidsch: Erdogan will die YPG aus der Stadt vertreiben und für die „rechtmäßigen Besitzer“ sichern, also für die arabische Bevölkerung, nicht für die Kurden.

Der Besuch von General Funk in Manbidsch wird von der Türkei deshalb als Provokation aufgefasst. Umgekehrt beklagt sich Mattis über die harsche anti-amerikanische Rhetorik in Ankara. Laut einer neuen Umfrage haben 72 Prozent der türkischen Wähler eine schlechte Meinung von den USA. Fast zwei von drei Türken befürworten engere Beziehungen ihres Landes mit Russland. Dass der Streit zwischen den NATO-Partnern USA und Türkei so weit eskaliert ist, liegt aus türkischer Sicht womöglich nicht nur an den Interessengegensätzen der beiden Länder.

Die regierungstreue Zeitung „Daily Sabah“ sieht in den Spannungen um Manbidsch eine Folge von Trumps Entscheidung, den US-Generälen in Syrien mehr Handlungsspielraum zu geben. Die stärkere Eigenverantwortung der Militärs wird von der US-Regierung als Beitrag zum Sieg über den IS gefeiert, doch laut „Daily Sabah“ schlagen die amerikanischen Generäle inzwischen über die Stränge und führen sich in Syrien auf „wie Kriegsfürsten“, die sich nicht um größere politische Zusammenhänge wie die Partnerschaft mit der Türkei kümmern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort