GA-Interview Kreisdechant Burghof hat bei Joseph Ratzinger studiert

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Vor 50 Jahren, im Wintersemester 1962/63, hat der 20-jährige Theologie-Student Anno Burghof beim späteren Papst Joseph Ratzinger an der Uni Bonn Religionsgeschichte gehört. Heute ist Burghof Kreisdechant. Über den Rücktritt des Papstes sprach mit ihm Hans-Peter Fuß.

Kreisdechant Anno Burghof aus Hersel schätzt Papst Benedikt XVI. besonders als Vordenker der katholischen Kirche. Seine Jesus-Biografie hat er mit großem Interesse gelesen.

Kreisdechant Anno Burghof aus Hersel schätzt Papst Benedikt XVI. besonders als Vordenker der katholischen Kirche. Seine Jesus-Biografie hat er mit großem Interesse gelesen.

Foto: Hans-Peter Fuß

Wie und wo haben Sie vom Rücktritt des Papstes erfahren?
Anno Burghof: Ich war mit einem Mitbruder im Siebengebirge. Wir wollten auf der Margarethenhöhe gerade zu einer Wanderung aufbrechen, da erreichte die Nachricht meinen Mitbruder per SMS.

Haben Sie der Nachricht Glauben geschenkt?
Burghof: Ich habe den Rücktritt zunächst nicht verstanden. Beim zweiten Nachdenken wurde mir klar, dass die gesundheitlichen Gründe nachvollziehbar sind.

Waren Sie geschockt?
Burghof: Nein, ich habe das gelassen hingenommen. Man kann ja sowieso nichts ändern.

Wie bewerten Sie den Rücktritt ?
Burghof: Es ist eine mutige Entscheidung. Schließlich ist er der erste Papst seit 700 Jahren, der sein Amt aus freien Stücken verlässt.

Werden künftige Päpste diesem Beispiel nun häufiger folgen und dem Amt damit ein Stück Übermenschlichkeit nehmen?
Burghof: Das weiß ich nicht. Das steht im Ermessen jeden Papstes.

Wie haben Sie den Theologen Joseph Ratzinger in Bonn erlebt?
Burghof: 1962/63 habe ich ihn als kompetenten, aufgeschlossenen Professor erlebt, der uns für den Glauben begeistert hat. Er sprach sehr leise, deshalb war das Auditorium nach wenigen Sätzen völlig still. Seine Vorlesungen waren brechend voll.

Was werden künftige Historiker über Papst Benedikt sagen?
Burghof: Sein Anliegen war, Glaube und Vernunft in Einklang zu bringen. Letztlich kann niemand die Existenz Gottes beweisen. Aber wenn ich meine Vernunft einsetze, kann ich meinen Glauben begründen.

Welche konkreten Spuren hat der Papst hinterlassen?
Burghof: Er hat sich stark für Gerechtigkeit, Frieden und Verfolgte eingesetzt. Seine fundamentalen Texte, Reden und Predigten werden bleiben. Ich erinnere an die Rede vor dem Bundestag.

Was ist ihm nicht gelungen?
Burghof: Er konnte die Entfremdung von Kirche und Welt nicht aufhalten. Das kann aber auch niemand schaffen. Viele Menschen glauben nicht mehr an Gott. Es wird auch künftig so sein, dass Kirche und Papst mit den Lebenseinstellungen vieler Menschen nicht übereinstimmen werden.

In der Amtszeit von Benedikt XVI. erschütterten Skandale die katholische Kirche, worauf sie viel an Vertrauen einbüßte und sich zahlreiche Christen von ihr abwandten. Hätte der Papst dies verhindern können?
Burghof: Hinsichtlich der Missbrauchsfälle hat er sich klar geäußert. Er hat sich für Aufarbeitung und gegen Vertuschung ausgesprochen und die Sorge um die Opfer in den Vordergrund gestellt. Man kann einen Papst nicht für alle Missstände in seiner Kirche verantwortlich machen. Vieles, wie etwa der Vorfall in Köln, wo einer vergewaltigten Frau in zwei katholischen Krankenhäusern die Pille danach verweigert wurde, ist Sache der Ortskirchen.

Hätten Sie sich von Benedikt XVI. mehr Mut zu Reformen gewünscht? Auch hinsichtlich der von vielen Christen gewünschten stärkeren Ökumene?
Burghof: Zu Beginn hat er deutliche Schritte in Richtung der orthodoxen Kirchen gemacht. Gegenüber der evangelischen Kirche hat er von "kirchlichen Gemeinschaften" gesprochen, was evangelische Christen sicherlich verletzt hat. Dies hätte man auch moderater formulieren können.

Werden sich die katholische und die evangelische Kirche bis zum Reformationsjubiläum im Jahr 2017 näherkommen?
Burghof: Die Ökumene mit den Kirchen im Osten und den Kirchen der Reformation ist ein drängendes Thema, dem sich kein Papst wird verschließen können. Die Annäherung wird angesichts der schwierigen Materie einen langen Prozess notwendig machen.

Glauben Sie, dass neben der körperlichen Verfassung angesichts der vielen Probleme und der Machtstrukturen im Vatikan auch Resignation eine Rolle für den Rücktritt gespielt hat?
Burghof: Nein. Man hat gemerkt, dass der Papst gesundheitlich abgebaut hat. Es ist ein Unterschied, ob man 78 oder 85 Jahre alt ist. Vielleicht hat auch die Erfahrung mit seinem Vorgänger eine Rolle gespielt. Womöglich wollte er es der Kirche ersparen, dass ein Papst längere Zeit handlungsunfähig ist.

Welche Eigenschaften sollte der nächste Papst haben?
Burghof: Ein Papst kann nicht anders, als für die Wahrheit einzutreten und den Glauben zu verkünden. Ich wünsche mir, dass er offen für die großen Fragen der Menschen ist und ein großes Herz für Notleidende und Kranke hat.

Wer wird es?
Burghof: Die Zeit ist reif für einen Mann aus Lateinamerika, Afrika oder Asien. Et kütt wie et kütt.

Zur Person:
Kreisdechant Anno Burghof wurde 1943 in Wipperfürth geboren. Am Emil-Fischer-Gymnasium in Euskirchen machte er 1962 sein Abitur. In Bonn und Würzburg studierte er Theologie. 1968 wurde er zum Priester geweiht. Bis 1972 war er Kaplan in Wesseling und anschließend in Köln-Zollstock. 1977 wurde er zum Pfarrer von Sankt Aegidius Hersel ernannt, 1984 kam Sankt Georg Widdig hinzu. Im Dekanat Bornheim wirkte er ab 1991 als Dechant. Heute ist er Leitender Pfarrer des Seelsorgebereichs Bornheim - An Rhein und Vorgebirge. Außerdem ist er seit 2008 als Kreisdechant für alle Pfarreien im Rhein-Sieg-Kreis zuständig. 2005 verlieh ihm der Papst den Titel "Kaplan Seiner Heiligkeit" (Monsignore).

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