Kommentar zum Anti-Missbrauchsgipfel Kraftlose Kirche

Meinung | Rom · Zu Beginn der Tagung war es Papst Franziskus selbst, der „Konkretheit“ forderte. Am Ende lieferte er erneut eine vage Absichtserklärung darüber, wie sich die Kirche beim Schutz von Minderjährigen engagieren will. Franziskus ist ein Bremser.

 Demonstration während des Anti-Missbrauchsgipfels in Rom: Opfer von sexuellem Missbrauch und Mitglieder von ECA (Ending Clergy Abuse) vor der Engelsburg.

Demonstration während des Anti-Missbrauchsgipfels in Rom: Opfer von sexuellem Missbrauch und Mitglieder von ECA (Ending Clergy Abuse) vor der Engelsburg.

Foto: dpa

Nach der Rede zu urteilen, die Papst Franziskus am Sonntag zum Abschluss der viertägigen Vatikankonferenz zum Thema sexueller Missbrauch im Klerus hielt, hat die katholische Kirche keine Kraft sich zu erneuern. Zu Beginn der Tagung war es Franziskus selbst, der „Konkretheit“ forderte. Am Ende lieferte er erneut eine vage Absichtserklärung darüber, wie sich die Kirche beim Schutz von Minderjährigen engagieren will. Und er teilte aus: Gegen ideologische Polemiken und journalistische Kritik. Ideologie und Presse sind die liebsten Feinde derjenigen, die sich in die Ecke gedrängt fühlen. Von den sanftmütigen, reuigen Blicken, die auch Franziskus in den vergangenen Tagen erkennen ließ, war am Sonntag keine Spur mehr.

Allein während des Pontifikats Jorge Bergoglios seit 2013 sollen mehr als 2200 katholische Priester von Bischöfen im Vatikan wegen Missbrauchs angezeigt worden sein. Jeden Tag wird damit durchschnittlich ein Priester im Vatikan gemeldet, dem glaubwürdig Missbrauch vorgeworfen wird. Die Kirche hat das Missbrauchs-Drama nicht im Griff, es ist noch immer in vollem Gange. Aber sie kommt selbst nicht in die Gänge, wenn es darum geht, ganz konkrete Maßnahmen zügig wirksam zu machen. Wieder wurde jetzt die Öffentlichkeit vertröstet, wieder wurden Ankündigungen von Gesetzen und der Einrichtung sogenannter Task-Forces gemacht. Das genügt nicht mehr.

Das große Dilemma der katholischen Kirche wurde offensichtlich: Wenn der Papst nicht selbst vorangeht, irrt seine Herde umher. Es waren viele sinnvolle Vorschläge auf der Konferenz zu hören. Aber die Kluft zwischen den seit Jahren um dieselben Gedanken kreisenden Worten des Papstes und der konkreten Umsetzung dieser Elemente wurde nun überdeutlich. Statt zu beschleunigen und den Kinderschutz wirklich universal effektiv zu gestalten, bremst der Papst. Was keine Task-Force, kein Leitfaden und keine Kommission leisten könnte, das wäre das Gebot der Stunde gewesen: Franziskus müsste endlich konsequent durchgreifen gegen jeden Priester und Bischof, der sich des Missbrauchs oder seiner Vertuschung schuldig macht, und ihn entlassen.

Offenbar will der zu Beginn seines Pontifikats als Revolutionär verklärte Franziskus das nicht. Eine Erklärung dafür dürfte in seiner eigenen Vergangenheit liegen. Als Erzbischof von Buenos Aires lag auch Jorge Bergoglio mehr am Ansehen der Institution als an den Opfern, selbst als Papst ist Franziskus nicht über alle Zweifel erhaben. Wie konnte der bekannte Missbrauchstäter und inzwischen laisierte Ex-Kardinal Theodore McCarrick mit päpstlichen Sondermissionen betraut werden? Und warum bekam Bischof Gustavo Zanchetta, ein Landsmann des Papstes, dem Missbrauch vorgeworfen wird, 2017 plötzlich einen sicheren Posten im Vatikan? Null Toleranz, das hieße, sich auch zu den eigenen, ganz persönlichen Fehlern zu bekennen. Dazu ist dieser Papst nicht bereit.

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