Wüstenstaat Kampf um sauberes Wasser im Südsudan

Sudan · Der Verein Hoffnungszeichen setzt sich seit mehr als zehn Jahren für sauberes Trinkwasser im Südsudan ein.

 Im Südsudan fließt das giftige Prozesswasser der Ölgewinnung, hier an einer Bohrstelle am Ölfeld im Bundesstaat Unity, teilweise ungefiltert in die Landschaft.

Im Südsudan fließt das giftige Prozesswasser der Ölgewinnung, hier an einer Bohrstelle am Ölfeld im Bundesstaat Unity, teilweise ungefiltert in die Landschaft.

Foto: Hoffnungszeichen

Ende 2007 kamen der Hilfsorganisation Hoffnungszeichen erste Hinweise zu Ohren, dass das Wasser aus Handbrunnen im südsudanesischen Teilstaat Unity krank machen könnte. Vermutete Ursache: die dortige Ölförderung. Mehrheitseigner des örtlichen Ölkonsortiums SPOC: der malayische Konzern Petronas. Wissenschaftliche Untersuchungen haben den Anfangsverdacht konkretisiert. Doch Petronas, Namenssponsor des Formel 1 Teams Mercedes AMG Petronas der Daimler AG, wiegelt weiterhin ab.

Für seinen jüngsten Report untersuchte der Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen (Venro), wie NROs mit Unternehmen umgehen. Hoffnungszeichen stellt er dabei als Praxisbeispiel für eine konfrontative Strategie vor.

Dabei sei Konfrontation gar nicht das Ziel gewesen, sagt Kai Stieglitz, der zweite Vorstand von Hoffnungszeichen. „Wir haben über fünf Jahre hinweg mit Daimler und Petronas unter Ausschluss der Öffentlichkeit kooperiert, weil wir gedacht haben, das wäre lösungsorientierter“, erklärt er. „Erst als wir nach Jahren festgestellt haben, dass der Dialog für die Leute in den ölverschmutzten Gebieten im Südsudan gar nichts bringt, haben wir uns entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen.“

Im Gebiet des heutigen Südsudans ist der Verein seit 1994 aktiv. 2007 hörte er Beschwerden der lokalen Bevölkerung: Das Wasser schmecke nach Salz. Kühe, die im Südsudan als wichtiges Zahlungsmittel gelten, sollen daran gestorben sein. Der Verein beauftragte eine Hydrogeologin, die standardisierte Proben entnahm. Das Ergebnis: Das Grundwasser enthielt tatsächlich hohe Konzentrationen von Schwermetallen und Salzen.

Im Dezember 2014 wurden die Befunde im Zentralblatt für Geologie und Paläontologie veröffentlichte. Die Studie habe bei der Industrie für Aufsehen gesorgt. „Wir haben nachgewiesen, dass man die Sauereien, die die Ölindustrie verklappt, im Trinkwasser findet und dass die Ölförderung Ursache der Kontamination ist“, sagt Stieglitz. Nach Berechnungen der Hilfsorganisation sei das Trinkwasser von rund 600 000 Menschen betroffen.

„Mit jedem Liter Öl, der aus der Erde hochgepumpt wird, kommen etwa neun Liter Fremdstoffe mit nach oben“, berichtet der studierte Politik- und Rechtswissenschaftler. Das Öl müsse vom Rest des sogenannten Prozesswassers – einer Mischung aus Wasser, Sand und Salz – getrennt und danach fachgerecht entsorgt werden. Entsorgungsvorschriften wie in Deutschland gebe es im Südsudan allerdings nicht. „Der Südsudan ist ein sehr schwacher, korrupter Staat.“ Das nutze Petronas aus.

Daimler und Petronas werben mit Nachhaltigkeit

Daimler – Petronas' Sponsoring-Partner – betont in einem Statement auf Anfrage des GA: „Nachhaltigkeit und Integrität sind integraler Bestandteil unserer Unternehmenskultur.“ Die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen dient laut Website als Bezugsrahmen für das geschäftliche Handeln. „Daimler macht sich stark für Menschenrechte“, sagte Renata Jungo Brüngger, Vorstandsmitglied der Daimler AG, noch im Mai dieses Jahres. Der Aufhänger: Bemühungen zur Umsetzung einer nachhaltigen Rohstofflieferkette.

„Bei der Auswahl aller unserer direkten Geschäftspartner achten wir darauf, dass diese Gesetze einhalten und unseren ethischen Grundsätzen folgen“, heißt es in Daimlers Statement an den GA weiter. Stieglitz dazu: „Wie Petronas wirtschaftet, weiß Daimler seit wir 2010 miteinander in Dialog waren.“

Am Anfang des Dialogs standen zwei Briefe – an Daimler und an den damaligen Silberpfeilpiloten Michael Schumacher. „Schumacher hat sehr freundlich geantwortet und das Ganze an die Konzernzentrale verwiesen. Diese hat uns in Aussicht gestellt, dass wir mit Petronas in Dialog treten können.“

Die Untersuchung der Wasserproben sollte „zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen“, sagt der zweite Vorsitzende. „Aber das ist uns von der Ölindustrie im Südsudan als Krawallmacherei ausgelegt worden.“ Im November 2015 gipfelte die Reaktion der Gegenseite in einer Drohung.

Daimler vermittelte ein Treffen zwischen Hoffnungszeichen und Petronas in Stuttgart; dort habe ein Vertreter der südsudanesischen Regierung erklärt: Weitere von der Regierung nicht autorisierte Veröffentlichungen würden als „Akt gegen den Staat und Bedrohung gegen die Sicherheit des Landes aufgefasst werden“, sagte Stieglitz.

In der Konsequenz übergab der Verein alle laufende Projekte vor Ort (unter anderem zwei Buschkliniken) an Partnerorganisationen und zog seine Mitarbeiter aus dem Land ab. Denn Stieglitz hatte bereits eine zweite wissenschaftliche Studie (Pragst et al. 2017) in Auftrag gegeben, die im Fachmagazin Forensic Science International veröffentlicht wurde. Zwar bemängeln die Autoren, dass wegen der schwierigen politischen Situation keine optimalen Proben gesammelt werden konnten. Dennoch: Verunreinigungen konnten sie auch im Menschen nachweisen. Haarproben der Anwohner aus vier Orten in der Nähe des Thar Jath Ölfelds waren mit giftigem Blei und Barium belastet.

Nach letztem Gespräch: Petronas prüft Maßnahmen

„Wir diskutieren schon sehr lange mit Daimler und Petronas. Bisher haben wir keine signifikanten Verbesserungen für die Menschen im Südsudan gespürt“, kritisiert Stieglitz. Das letzte Gespräch mit den beiden Unternehmen führte Hoffnungszeichen im April dieses Jahres.

Was dabei heraus gekommen ist? „Zu wenig“, bilanziert Stieglitz knapp. Petronas habe zugesichert, die Bohrung einiger Tiefbrunnen prüfen zu wollen. In 300 Metern Tiefe hatte Hoffnungszeichen bei Probebohrungen eine zweite, saubere Wasserschicht gefunden. Dem Konzern sei es aber wichtig gewesen, dass dies nicht als Schuldeingeständnis, sondern als Projekt zur Entwicklung der Gemeinde gesehen werde, betont der Menschenrechtler. In seinen Augen ohnehin ein Tropfen auf den heißen Stein: „Langfristig hilft nur, den Schadstoffeintrag zu unterbinden.“ Daimler wollte sich zum Inhalt des Treffens nicht äußern, um den Austausch zwischen den Parteien nicht zu blockieren, wie ein Pressesprecher dem GA erklärte.

Daimler sei „nicht Verursacher der Vorkommnisse im Südsudan“ und „weder unmittelbar noch mittelbar vor Ort involviert“. Trotzdem habe Daimler stets versucht zwischen Petronas und Hoffnungszeichen zu vermitteln. „Petronas hat uns zugesichert, an der Aufklärung der Vorkommnisse sowie an möglichen Hilfsmaßnahmen zu arbeiten“, sagte der Pressesprecher weiter. Das sei seit Dezember 2013 aber schwierig, weil der Petronas-Standort im Südsudan wegen des Bürgerkrieges „vollständig geräumt werden musste“, soll Petronas Daimler gegenüber erklärt haben.

„Ob und wann die politische Lage im Bürgerkriegsgebiet eine Rückkehr zur Anlage ermöglicht, ist auch 2018 noch nicht absehbar. Hierzu sind wir im regelmäßigen Austausch mit allen Parteien.“ In der Zwischenzeit wolle man den Dialog zwischen Petronas und Hoffnungszeichen aufrecht erhalten und „damit in einem schwierigen Bürgerkriegsumfeld dazu beizutragen, eine einvernehmliche Lösung für alle Beteiligten herbeizuführen.“ Petronas reagierte nicht auf eine Anfrage des GA.

Mehr zum Thema erzählt Klaus Stieglitz im Buch „Das Öl, die Macht und Zeichen der Hoffnung“. Rüffer & rub, 288 Seiten, 18 Euro.

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