Kommentar zu Nordkorea Jetzt verhandeln!

Meinung | Peking · Stechschritt und Drohgebärden – das hat es in Nordkorea schon häufig gegeben. Was die Lage derzeit zusätzlich so brisant macht, sind die Reaktionen in den USA.

 Im Stechschritt: Militärparade während der Feiern zum 105. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung.

Im Stechschritt: Militärparade während der Feiern zum 105. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung.

Foto: dpa

Dicke Panzer fahren auf. Zehntausende Soldaten marschieren im Stechschritt an Diktator Kim Jong Un vorbei. Dahinter rollt schweres Militärgerät, das die Mittelstreckenraketen „Rodong“ und „Musudan“ trägt. Nur zu dem befürchteten Atomtest ist es während der Feiern zum 105. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung nicht gekommen.

Ansonsten aber wird die nordkoreanische Führung in Pjöngjang auch weiter nicht müde, den Westen, allen voran die USA, mit Hasstiraden zu provozieren. Nordkorea werde auf einen „totalen Krieg mit einem totalen Krieg“ antworten, wetterte vor ein paar Tagen wiederholt ein ranghoher Regierungsvertreter.

Stechschritt und Drohgebärden – das hat es in Nordkorea schon häufig gegeben. Was die Lage derzeit zusätzlich so brisant macht, sind die Reaktionen in den USA. Flugzeugträger und U-Boote hat Präsident Donald Trump bereits vor die Küste Nordkoreas schicken lassen, nun heizt ein Raketenabwehrsystem die Lage weiter an.

Beim Blick nach Pjöngjang stellt sich die Frage: Ist Kim lebensmüde? Will er wirklich einen Krieg gegen Amerika riskieren? Nein, das will er nicht. Und so übergeschnappt er klingt – seine Tiraden haben eine Funktion: Der nordkoreanische Herrscher muss glaubhaft vermitteln, dass er jederzeit zum atomaren Erstschlag bereit ist. So funktioniert Abschreckung.

Schon sein Vater und Vorgänger Kim Jong Il wusste: Ein Gefecht mit konventionellen Waffen würde sein Land nicht lange überleben. Zwar verfügt Nordkorea mit über einer Million Soldaten über eine der größten Armeen der Welt. Doch insbesondere die Luftstreitkräfte gelten technisch als veraltet. Deswegen baute bereits der alte Kim das nordkoreanische Atom- und Raketenprogramm stetig aus.

Der junge Kim hat den Bau nochmals beschleunigt. Fünf Atomtests hat es seit 2006 gegeben, zwei davon unter dem aktuellen Machthaber. Derzeit arbeiten seine Techniker an einer Langstreckenrakete, mit der die USA nuklear bombardiert werden könnten. Doch das Regime will Amerika nicht ernsthaft angreifen, auch nicht Südkorea oder Japan. Selbstschutz ist das Stichwort. Kim hat Gaddafi in Libyen und Saddam Hussein im Irak vor Augen. Nur Atomwaffen garantieren ihm, nicht von den USA gestürzt zu werden.

Trump jedoch setzt nun ebenfalls auf Abschreckung. Dabei hatte er im Wahlkampf noch direkte Gespräche mit dem Kim-Regime in Aussicht gestellt. Das ist genau das, worauf das Regime in Pjöngjang wartet: auf Augenhöhe zu verhandeln.

Mit der Aufnahme von direkten Verhandlungen könnte Trump erstmals in seiner Präsidentschaft außenpolitisch punkten. Reizen, aber ja nicht zu viel, um nicht allzu heftige Gegenreaktionen auszulösen – das entspricht Kims Logik. Einem Trump dürfte das bekannt vorkommen. Und wer weiß? Vielleicht verstehen sie sich ja.

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