"Die Bürger haben mich abgewählt"

Schon Minuten vor der kurzen Erklärung Yvonne Kempens bricht im Ratssaal der Jubel bei den Gegnern der Bürgermeisterin aus - Landrat Kühn sieht in dem Ergebnis "ein deutliches Zeichen"

Meckenheim. Gespenstische Ruhe herrschte am Sonntag in Meckenheim - Totensonntagsruhe. Es sollte die Ruhe vor dem Jubelsturm sein, der am Abend im Ratssaal losbrach, als feststand: Die Meckenheimer haben Bürgermeisterin Yvonne Kempen abgewählt.

7 926 Menschen haben auf dem Stimmzettel das "Ja" angekreuzt, 68,5 Prozent der Wähler, die am Sonntag ihre Stimme abgaben. Und das waren erstaunlich viele, wie die Wahlbeteiligung zeigte. Gut 60 Prozent, fast so viele wie sonst bei Kommunalwahlen, wollten mitbestimmen bei der Frage, die die Stadtratsmehrheit mit ihrem Abwahlantrag gegen die Verwaltungschefin aufgeworfen hatte.

"Das ist eine so wichtige Frage für Meckenheim", sagt am Nachmittag ein Lüftelberger, als er im Wahllokal seinen Stimmzettel in die Urne wirft. "Ich finde es gut, dass wir Bürger das bestimmen, wie bei einer Urwahl." Lüftelberg, der Wohnort der Bürgermeisterin und jener Ort, der in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit den Stichworten Kiesabbau und Giftmüll überregional bekannt wurde, ist dabei anderer Meinung als der Rest von Meckenheim: Nur hier stimmt die Mehrheit gegen die Abwahl.

Wie deutlich das Ergebnis am Ende ist, überrascht die "Meckenheimer Demokraten", das Bündnis von CDU, SPD, FDP, UWG und Grünen im Stadtrat. Ein wochenlanger intensiver, wenn auch nahezu unauffälliger "Wahlkampf" liegt hinter ihnen: Sie haben an zahllosen Türen geklingelt, Flyer verteilt, argumentiert. "Mehr als im Kommunalwahlkampf", sagen einige Ratsmitglieder. Die Anspannung ist ihnen anzusehen, als sie nun im Ratssaal zusammentreffen.

Fast nicht ansprechbar ist Thomas Radermacher (UWG), bevor das erste Ergebnis vorliegt. "Mein Blutdruck ist am Anschlag, ich bin total angespannt." Um 18.28 Uhr das erste Zwischenergebnis der "Bürgermeisterwahl", wie es fälschlich über der riesigen Ergebnisanzeige an der Wand steht - erster Jubel: 39,7 Prozent "Nein", 60,3 Prozent "Ja".

Einige Jugendliche von Junger Union und dem Verein "emheim" treffen ein. Viele von denen, die ihre Stimme abgaben, waren sehr jung, wurde beobachtet - für sie ein Erfolg. Sie haben versucht, möglichst viele Jung- und Erstwähler ab 16 Jahren zu mobilisieren.

In den Stimmlokalen ging "alles soweit unauffällig" zu, wie ein besonders kritischer Beobachter feststellt: Bernd Carl, Dezernent beim Kreis und zuständig für die Kommunalaufsicht, ist an diesem Tag dienstlich in Meckenheim unterwegs. Er schaut auch Wahlleiter Rolf Böhmer über die Schulter, während im Ratssaal laufend Zwischenergebnisse bekannt gegeben werden.

Nachdem sich der Sieg der "Meckenheimer Demokraten" abzeichnet, fallen sich viele Menschen im Saal um den Hals. Josef Dunkelberg (UWG): "Ich bin einfach nur erleichtert. Es ist eine tonnenschwere Last von mir abgefallen." Vize-Bürgermeisterin Heidi Wiens und ihr Mann liegen sich unter Tränen der Erleichterung in den Armen. Auch Martina Loth (UWG) weint.

Anne Viehmann (CDU): "Ich bin glücklich und freue mich vor allem, dass die Bürger unsere Sachargumente verstanden haben." Hendrik Alscher (Grüne): "Ich hatte nicht mit einer so hohen Beteiligung gerechnet und vor allem nicht mit einem so eindeutigen Ergebnis." Peter Zachow (SPD): "Das ist bombastisch."

Auf sachlich-ruhige Art kommentiert Joachim Russ (FDP): "Das war ein Sieg der Vernunft. Die Abwahl war dringend notwendig. Und der Neustart wird gelingen." Aus der Sicht der FDP tut sich auch etwas bei der Suche nach geeigneten Kandidaten für eine Neuwahl, die nun innerhalb von drei Monaten stattfinden muss. Besonders ein "53-jähriger promovierter Jurist, FDP-Mitglied, mit 14-jähriger Erfahrung als Beigeordneter, zur Zeit in einer 53 000-Einwohner-Stadt", scheint Russ aussichtsreich.

Früher als erwartet tritt Yvonne Kempen in silbergrauem Hosenanzug vor die Mikrofone und Kameras im Ratssaal, in dem sich zahlreiche Medienvertreter versammelt haben. Liegt es an der Beleuchtung? Sie wirkt jedenfalls müde und bleich, als sie - sehr gefasst - eine Erklärung abgibt, noch bevor ein Endergebnis vorliegt.

"Die Bürger haben mich abgewählt. Ich respektiere die Entscheidung der Bürger." Sie sei ihren Weg gegangen, der sei ehrlich und aufrichtig gewesen, "ich habe mir nichts vorzuwerfen", sagt sie mit Blick auf die vergangenen Wochen und Monate. "Ich habe meine innere Freiheit behalten, das ist mir sehr viel wert." Wie es mit ihr politisch weitergeht, dazu will sie sich an diesem Abend nicht äußern. "Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht."

Einen Grund, aus der CDU auszutreten, wie jüngst von den ehemaligen CDU-Stadtverbandsvorsitzenden gefordert, sieht die 47-Jährige nicht. Ihre Arbeit als Bürgermeisterin endet Dienstagabend: nachdem der Wahlausschuss das Ergebnis festgestellt hat. Dann übernehmen der Beigeordnete Rolf Böhmer als Verwaltungsleiter und Vize-Bürgermeisterin Heidi Wiens (SPD) als Repräsentantin ihre Aufgaben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort