"Alle sprechen mit allen" Suche nach neuer Regierung in Italien

Rom · Turbulente Tage in Rom: Italien steckt mitten in der Regierungskrise. Alle spekulieren: Wer wird Renzis Nachfolger? Diverse Optionen liegen nach dem Rücktritt des italienischen Regierungschefs auf dem Tisch.

 Staatspräsident Sergio Mattarella steht vor den schweren Aufgabe, in einer politisch aufgeheizten Stimmung eine Lösung zu finden.

Staatspräsident Sergio Mattarella steht vor den schweren Aufgabe, in einer politisch aufgeheizten Stimmung eine Lösung zu finden.

Foto: Angelo Carconi

Italien könnte nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Matteo Renzi womöglich nächste Woche eine neue Regierung bekommen. Staatspräsident Sergio Mattarella begann am Abend mit den Konsultationen, die bis Samstagabend dauern sollen.

Teile der Opposition fordern sofortige Neuwahlen. Es gibt aber gesetzliche Hürden. Mattarella beriet sich zum Auftakt der Sondierungsgespräche mit den politischen Akteuren mit Senatspräsident Pietro Grasso, der den Quirinalspalast am Abend nach etwa einer halben Stunde verließ. Der 71-Jährige wird als möglicher Nachfolger Renzis in einer Übergangsregierung gehandelt.

Renzi hatte am Mittwochabend, drei Tage nach dem verlorenen Verfassungsreferendum, seinen Rücktritt eingereicht. Mattarella hatte ihn unter Vorbehalt angenommen und die Regierung gebeten, die laufenden Geschäfte vorläufig weiterzuführen.

Der Präsident steht vor der schweren Aufgabe, in einer politisch aufgeheizten Stimmung eine Lösung zu finden, mit der die Parteien leben können.

Wie es mitten in der Regierungskrise in Rom zugeht, brachte die Tageszeitung "La Repubblica" auf den Punkt: "Alle sprechen mit allen, alle stellen Vermutungen an." Einen konkreten Anhaltspunkt finden die Beobachter beim Blick in den Kalender. Am kommenden Donnerstag (15. Dezember) treffen sich in Brüssel die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem eintägigen Gipfel. Bis dahin könnte eine neue Regierung stehen, so die Spekulationen.

Italienische Medien handelten drei mögliche Optionen: Eine Regierung der nationalen Einheit mit allen Parlamentsparteien; ein Kabinett der bisherigen Parlamentsmehrheit unter einem von Renzis bisherigen Ministern oder auch eine erneute Beauftragung Renzis mit der Regierungsbildung. Die erste Option könnte an der Haltung der Oppositionsgruppen scheitern. Renzi selbst hat sich bisher auch wenig geneigt gezeigt, nach seiner Niederlage weiterzumachen.

Aussichtsreichster Anwärter auf die Renzi-Nachfolge ist Wirtschafts- und Finanzminister Pier Carlo Padoan. Neben Padoan und Grasso werden auch Verkehrsminister Graziano Delrio oder Kulturminister Dario Franceschini immer wieder genannt. Italienische Medien gehen davon aus, dass sich Mattarella nach den Konsultationen den Sonntag Bedenkzeit nimmt, bevor er sich äußert. Auch weitere Konsultationen wurden nicht ausgeschlossen. Laut Verfassung ernennt der Präsident einen Regierungschef, den dann das Parlament bestätigen muss.

Mattarella könnte nach den Regeln der Verfassung auch das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. Allerdings hat Renzis sozialdemokratische PD gemeinsam mit ihren Koalitionspartnern dort weiter eine solide Mehrheit, wie sich zuletzt bei der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes am Mittwoch zeigte. Erst am 24. Januar wird außerdem das Verfassungsgericht über das neue Wahlgesetz "Italicum" urteilen, gegen das mehrere Klagen anhängig sind.

Dieses Gesetz gilt nur für das Abgeordnetenhaus. Nach der von den Bürgern am Sonntag abgelehnten Verfassungsreform wäre der Senat nicht mehr direkt gewählt worden. Nun bleibt Italien ein Zwei-Kammer-Parlament erhalten. Für Mattarella ist es laut Medienberichten unvorstellbar, dass beide Kammern nach unterschiedlichen Wahlgesetzen gewählt würden.

Die Tageszeitung "La Stampa" lieferte am Donnerstag ein Bild über die politische Stimmungslage im Land. Demnach erhält auch nach dem Referendum Renzis Demokratische Partei (PD) mit 32,5 Prozent den meisten Zuspruch, gefolgt von der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung, die die Umfrage bei 27 Prozent sah. Die rechtspopulistische Lega Nord und die konservative Forza Italia liegen bei 11 Prozent.

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