Aktuelle Studie Großkonzerne nutzen in EU Steuerprivilegien aus

Brüssel · Großkonzerne nutzen in der Europäischen Union laut einer Studie Steuerprivilegien intensiv aus. Je größer der Konzern ist, desto größer sind auch die Steuergestaltungsmöglichkeiten.

 Konzerne zahlen vorzugsweise in dem Land Steuern, in dem die Bedingungen günstig sind.

Konzerne zahlen vorzugsweise in dem Land Steuern, in dem die Bedingungen günstig sind.

Foto: dpa

30 Prozent – das ist der gesetzlich festgelegte Steuersatz für Großkonzerne in Deutschland. Tatsächlich werden im Schnitt gerade mal 20 Prozent überwiesen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben hatte und die am Dienstag in Brüssel vorgestellt wurde. Dabei sind die Zahlen für Deutschland lange nicht so eklatant wie die für andere Staaten. In Luxemburg liegt der nominale Steuersatz bei 29 Prozent, tatsächlich überwiesen die im Großherzogtum ansässigen Konzerne aber nur zwei Prozent. Kaum anders sieht es – der Erhebung zufolge – in Großbritannien, Frankreich, Österreich, Spanien oder Italien aus. Lediglich in Bulgarien entsprach der ermittelte Wert auch der gesetzlich festgelegten Steuerhöhe.

„Besonders multi-nationale Konzerne profitieren überdurchschnittlich von Steuerprivilegien und Steuerschlupflöchern in der Europäischen Union“, sagte Sven Giegold, Grünen-Finanzexperte und EU-Parlamentarier. Sein Fazit: „Je größer das Unternehmen, je geringer der effektive Steuersatz.“ Während die größten grenzüberschreitend tätigen Konzerne am stärksten vom Steuerdumping profitierten, hätten kleinere Betriebe, die nur in ihrem Heimatland tätig sind, keine Chance auf Steuerminderung.

Doch die Zahlen sind umstritten. „Nur bedingt aussagekräftig“ nannte sie der Steuerexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Rainer Kambeck, im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn die erhobenen Daten ließen gar keine Aussage auf effektiv gezahlte Steuern zu, „weil Betriebsausgaben unter anderem in Form von Zinsen und Lizenzgebühren sowie Verluste ebenso zu berücksichtigen sind wie Hinzurechnungen zur Bemessungsgrundlage, wie sie aktuell Unternehmen in Deutschland in erheblichem Umfang bei der Gewerbesteuer entstehen.“

Daten nach Ländern aufschlüsseln

Tatsächlich bedienten sich die Autoren der Erhebung an den Informationen der sogenannten Orbis-Datenbank, die – so die Grünen – „über die besten überhaupt erhältlichen länderspezifischen Steuerdaten“ verfügt. Das Problem liegt nämlich darin, dass die genauen Konzernangaben verständlicherweise nicht öffentlich sind. Genau das wollen neben den Grünen die Kritiker der Steuervermeidung ändern und haben in ihrem seit Längerem vorliegenden Vorstoß ein neues Instrument eingebaut: das sogenannte Country-by-Country-Reporting. Damit sollen multinational tätige Unternehmen verpflichtet werden, den Finanzbehörden alle Daten zu Umsatz, Gewinn und Steuerzahlungen aufgeschlüsselt nach Ländern vorzulegen. Dann könnten die Ämter die Firmen dort besteuern, wo auch der Gewinn anfällt – der tatsächliche Steuersatz wäre leicht ermittelbar.

Doch die Konzerne wehren sich und haben in Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen Verbündeten gefunden. Der will zwar grundsätzlich eine Berichterstattung, weiß aber auch, dass es um sehr sensible Informationen geht, die das Innenleben einer Firma betreffen. Auch Scholz-Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) wollte deshalb von diesem Instrument nichts wissen. Stattdessen setzen die Finanzminister der großen EU-Staaten eher auf eine gemeinsame und konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer. Doch die steckt im Rat der nationalen Kassenwarte fest.

Ob die neue Studie da für Bewegung sorgen kann, erscheint zweifelhaft. Zumal erst vor Kurzem von 130 Staaten eine Meldepflicht für die Abgaben großer Unternehmen eingeführt wurde. Beim DIHK fordert man die Politik auf, „erst einmal sicherzustellen, dass diese Daten von den Finanzverwaltungen sinnvoll genutzt werden“, ehe man über noch mehr Transparenz diskutiere.

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