Kommentar zu Donald Trump Genug ist genug

Meinung | WASHINGTON · Warum Donald Trump nach seinen Anmerkungen zu den Waffengesetzen nicht mehr weiter kandidieren kann. Ein Kommentar.

Der New Yorker Bau-Milliardär Donald Trump hat seit Sommer vergangenen Jahres so ziemlich jedes Tabu gebrochen, das im traditionell beinharten amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf bislang Bestand hatte. Das war geschmacklos und größenwahnsinnig. Aber er hat es politisch überlebt. Diesmal kann man sich nicht sicher sein. Seit Dienstagabend muss man Donald Trump als gemeingefährlich bezeichnen.

Sein versteckter Aufruf an die Anhänger des in der Verfassung gesondert geschützten Rechts auf Waffenbesitz, sich gegen seine Rivalin Hillary Clinton und von ihr in der Zukunft eingesetzte, waffenkritische Richter am Obersten Gerichtshof mit Waffengewalt zur Wehr zu setzen, hat eine neue Qualität. Es ist der unfassbare Höhepunkt einer beisspiellosen Serie von politischen Brandstiftungen. Schwarze, Latinos, Frauen, Behinderte, Andersdenkende - Trump hat vor so gut wie niemandem Halt gemacht.

Der Sturm der Entrüstung, der sich aus den Internetforen in die Kommentarspalten der seriösen Zeitungen ausbreitet (dort wird bereits kategorisch der Rücktritt bzw. die Abberufung des Kandidaten Trump gefordert), ist keine Medien-Erfindung.

In einem Land, in dem jeden Tag psychisch gestörte Menschen zu leicht verfügbaren Waffen greifen und das Leben anderer beenden, sind Trumps wie immer bewusst doppeldeutig formulierten Worte Rattengift.

Der Radikal-Populist hat nicht nur gelogen - Hillary Clinton hat noch nie den Vorstoß gemacht, den so genannten „Zweiten Verfassungszusatz“, der den Waffenbesitz regelt, aufzuheben. Und selbst wenn sie es wollte: Der Kongress würde dem Ansinnen, das mit einer über 200 Jahre alten Tradition bräche, niemals zustimmen.

Was Clinton will, ist bekannt, vernünftig und wird in großen Teilen der Bevölkerung trotz aller Lobbyarbeit der „National Rifle Association“ (NRA) geteilt: Sie will die laxen Waffengesetze straffen, damit die weltweit einmalig hohe Zahl von über 30 000 Schusswaffen-Toten im Jahr zurückgeht. Dass dazu am Ende auch liberal(er) gestimmte Richter am Supreme Court gehören, deren Ernennungsrecht im Falle ihrer Wahl bei Clinton liegen würde, wobei das Parlament erhebliche Mitspracherechte hat, versteht sich von selbst.

Trump verdreht diese Tatsachen nicht nur schamlos bis zur Unkenntlichkeit. Er betätigt sich auch als Stichwortgeber für den militanten Teil jener Verschwörungstheoretiker, die in den USA zu Hunderten frei herumlaufen und im Internet jeden Tag zum Sturm auf Washington aufrufen.

Mit seinen Worten, die wie in Dutzenden Fällen vorher von Sprechern seiner Kampagne mühsam wieder eingefangen und neu interpretiert werden musste (was bisher nicht gelang), legitimiert der Geschäftsmann de facto Gewalt als Mittel der politische Auseinandersetzung. Zur Erinnerung: Auf dem Parteitag der Republikaner in Cleveland war der auf Clinton gemünzte Ruf "In den Knast mit ihr" in aller Munde. Und: Ein Delegierter forderte allen Ernstes, Clinton müsse wegen Landesverrats vor ein Erschießungskommando.

In einem Land, in dem Präsidenten (Kennedy, Reagan) erschossen bzw. schwer verletzt wurden, muss sich niemand wundern, wenn Trumps widerwärtige Handlungsempfehlung irgendwann beherzigt wird.

Warum der Mann das tut, liegt auf der Hand und disqualifiziert ihn für öffentliche Ämter. Alle Umfragen der vergangenen drei Wochen legen den Verdacht nahe, dass Trump sich durch charakterlich bedingte Defizite politisch sein eigenes Grab schaufelt. Der Abstand zu Clinton wird drei Monate vor der Wahl immer größer. Ebenso die Zahl seiner Kritiker. Trump reagiert darauf wie ein angeschossener Tiger. Und macht alles nur noch schlimmer.

Für die wenigen Republikaner von Rang, die ihm noch die Stange halten, wird es zusehends unmöglich, die Ausfälle Trumps zu decken, zu erklären und zu verzeihen. Der Mann ist eine wandelnde Tretmine.

Mehr noch: Jede normale Bürger, der in der Substanz öffentlich das sagen würde, was Trump zum Thema Waffengesetze vom Stapel ließ, bekäme Besuch von der Polizei oder vom Secret Service. Grund: latenter Staatsfeindverdacht.

Donald Trump zu verhören, seine Worte öffentlich auf die Goldwaage zu legen, ist das Gebot der Stunde. Und dann?

Danach muss die Partei der Republikaner ein für allemal Schaden von sich und vom amerikanischen Volk abwenden und Donald Trump die Prokura für die Wahl zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika entziehen. Der Mann ist eine Schande für die Demokratie. Genug ist genug.

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