Machtwechsel in den USA Gegenspieler in den eigenen Reihen

Washington · In vielen Punkten vertreten Donald Trumps Kandidaten für das Regierungsteam andere Positionen als der kommende Präsident. Andere bieten große Angriffsflächen.

 Alles ist vorbereitet für die Amtseinführung von Donald Trump: Kunststoff-Platten schützen die Rasenflächen der National Mall vor dem Kapitol in Washington.

Alles ist vorbereitet für die Amtseinführung von Donald Trump: Kunststoff-Platten schützen die Rasenflächen der National Mall vor dem Kapitol in Washington.

Foto: AFP

Als George W. Bush ins Weiße Haus einzog, rümpften viele Amerikaner die Nase. Sein Regierungsteam kam zusammengerechnet auf ein Privatvermögen von 900 Millionen Dollar. Für das Kabinett von Donald Trump, der heute ins Amt eingeführt wird, ist das beinahe Kleingeld. Addiert man die von „Forbes“ ermittelten Besitzstände der rund 20 nominierten Regierungsmitglieder (enge Berater wie Schwiegersohn Jared Kushner nicht berücksichtigt), ergibt sich die eindrucksvolle Summe von fast 14 Milliarden Dollar.

Wohlhabender war in der amerikanischen Geschichte noch keine Regierung. Wie sensibel die zu 75 Prozent aus weißen Männern bestehende Republikaner-Garde, in der zum ersten Mal seit 30 Jahren kein Vertreter der wachsenden Latino-Gemeinde sitzt, für die Nöte der Armen und der Arbeiterschicht ist, muss sich zeigen. Vorausgesetzt, die Herren und Damen Minister überstehen den „Tüv“ im Senat.

Bei den seit Tagen laufenden Anhörungen, die je nach Person höfliche Bewerbungsgespräch-Atmosphäre oder den Charakter von Spießrutenlaufen haben, zeichnet sich ein uneinheitliches Bild über jene ab, von denen man sich erhofft, dass sie den sprunghaften Präsidenten beizeiten erden, sprich: berechenbar machen.

Die Opposition ist auf der Palme: „Das ist eine Sumpftruppe von Milliardären. Viele haben hart rechtslastige Ansichten und liegen konträr zu dem, was Donald Trump gesagt hat“, erklärte der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schümer.

Selbst bei Kandidaten, bei denen das Durchwinken als so gut wie sicher gilt, fallen die Meinungsverschiedenheiten zwischen Chef und oberem Management auf.

Der Ölindustrielle Rex Tillerson, der als Außenminister vorgesehen ist, hält anders als Trump Russland sehr wohl für „gefährlich“. Der designierte Verteidigungsminister General James Mattis glaubt, dass man die Nato „erfinden müsse, wenn es sie nicht bereits geben würde“. Beide sind der Ansicht, dass man über Jahrzehnte gewachsene Bündnisse pflegen und darum den mühsam ausgehandelten Atomvertrag mit dem Iran nicht – wie von Trump avisiert – umgehend stornieren sollte.

John Kelly (Heimatschutz) hält es für einen Irrtum, bei der Bekämpfung von illegaler Einwanderung und Drogenkriminalität allein auf den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko zu setzen.

Mike Pompeo (Geheimdienst CIA) schloss kategorisch aus, dass unter seiner Führung die von Trump als „bewährt“ bezeichnete Foltermethode Waterboarding wieder eingeführt wird.

Jeff Sessions (Justiz), gegen den sich gerade die Justizminister mehrerer Bundesstaaten ausgesprochen haben, will anders als sein Chef Muslime nicht generell an der Einreise in die USA hindern.

Was gilt denn nun? Niemand weiß es.

Trump lässt wie in vielen Bereichen offen, wie die Marschrichtung am Ende tatsächlich aussehen wird. „Meine Minister sollen freimütig sagen, was sie denken.“

Bitte nicht, kontern altgediente Vertreter des republikanischen Establishments, die anonym bleiben wollen. Gerade in dieser Woche zeigten sich bei diversen Personen „große Angriffsflächen, die eine reibungslose Startphase erschweren können“. Vereinzelt sei auch denkbar, dass Kandidaten „vielleicht durchfallen“, was seit über 25 Jahren nicht mehr vorgekommen sei.

Beispiel Finanzen: Steven Mnuchin, einer von sechs ehemaligen Goldman-Sachs-Bankern in Trumps Team, hat mit dem Vorwurf zu kämpfen, dass er während der Finanzkrise 2008 mit seiner Privatbank OneWest Tausende Hausbesitzer durch Zwangsversteigerungen um Hab und Gut gebracht haben soll. Bei seiner Vorstellung machte er laut US-Medien eine „wenig überzeugende Figur“.

Beispiel Bildung: Betsy DeVos, milliardenschwere Gattin aus der Dynastie des Direktvertriebs-Giganten Amway, will das öffentliche Schulsystem zugunsten privater Bildungseinrichtungen, gerne auch mit religiöser Grundierung, finanziell austrocknen und die Macht der Lehrergewerkschaften brechen. Auf etliche Fragen der Kongressabgeordneten wusste die 58-Jährige, die in der Vergangenheit mit ihrem Mann über 200 Millionen Dollar an die Republikaner gespendet haben soll, keine Antwort.

Beispiel Gesundheit: Der Abgeordnete Tom Price aus Georgia gehört zu den vehementesten Gegnern der vom scheidenden Präsidenten Obama initiierten privaten Krankenversicherung für alle („Obamacare“). Außerdem will er die staatlichen Fürsorgeprogramme Medicare und Medicaid stark beschneiden, von denen zig Millionen Amerikaner profitieren. Durch was „Obamacare“ ersetzt werden soll und wie bedürftige Kranke künftig trotzdem „erstklassige“ Gesundheitsversorgung bekommen, konnte Price nicht beantworten.

Beispiel Umweltschutz: Der ehemalige Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Oklahoma, Scott Pruitt, soll die Führung der Umweltbehörde EPA übernehmen. Unter Obama – siehe VW-Diesel-Skandal – war das das stärkste Regierungsinstrument, um die Wirtschaft mit Auflagen gegen den Klimawandel zu belegen. Pruitt hat die EPA in seiner alten Funktion regelmäßig verklagt. Er leugnet nicht generell, dass es Klimawandel gibt. Welchen Anteil daran der Mensch hat, ließ er trotz vieler Nachfragen offen. „Das ist wissenschaftlich nicht entschieden.“

Beispiel Haushaltsbehörde: Der für den Chefposten des wichtigen „Office of Management and Budget“ (OBM) vorgesehene Abgeordnete Mick Mulvaney hat Steuern in Höhe von 15 000 Dollar für eine Angestellte in seinem Privathaushalt hinterzogen. Weil bei den Demokraten vor einigen Jahren der Fall Tom Daschle ähnlich gelagert war, fordern sie: Mulvaneys Nominierung muss zurückgezogen werden.

Die genannten Fälle sind nur eine Auswahl. Weil Trump bei der Besetzung von 700 im Senat zustimmungspflichtigen Schlüsselpositionen stark im Verzug ist (bisher wurden erst 30 Stellen besetzt), rechnet die scheidende Regierung mit einem „sehr holprigen Start“.

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