Stichwahl Frankreichs Konservative schicken Fillon ins Rennen

Paris · Bei der ersten Runde der konservativen Vorwahlen vor einer Woche war der Ex-Premierminister der große Überraschungssieger – gestern setzte er sich gegen Alain Juppé durch.

Es ist ein Moment des Triumphs für den ewigen „Mann im Schatten“, den zurückhaltenden und lange unterschätzten François Fillon. Bewegt und mit verstohlenem Lächeln blickt er in die Menge seiner jubelnden Anhänger, um ihnen eine „Botschaft der Hoffnung“ entgegen zu rufen, wie er es nennt: „Frankreich will die Wahrheit und Frankreich will Taten sehen!“ Er verspreche, dass er eine souveräne, moderne Nation aus dem Land machen werde, das an der Spitze Europas stehe. „Die Zukunft wartet auf uns!“ Der 62-jährige Konservative setzte sich bei den Vorwahlen der französischen Republikaner mit rund 68 Prozent der Stimmen gegen seinen Rivalen Alain Juppé durch und wird Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017. Die Beteiligung an der Kandidatenkür lag ähnlich hoch wie bei der ersten Runde vor einer Woche, als 4,3 Millionen Wähler ihre Stimme abgaben.

Bis dahin hatte Fillon als aussichtsloser dritter Mann gegolten. Über Monate hinweg sahen alle Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Juppé und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy vorher, dem Fillon fünf Jahre als Premierminister untergeordnet war. Doch die Wähler straften Sarkozy hart ab, indem sie ihn auf den dritten Platz verwiesen und zwangen, das Ende seiner politischen Karriere anzukündigen. Der 61-jährige Ex-Staatschef rang sich durch, Fillon zu unterstützen, der bereits als Favorit in das Duell mit Juppé gegangen war.
Und tatsächlich unterlag der 71-Jährige, der wie Fillon in seiner langen Politikerkarriere bereits diverse Schlüsselposten innehatte, darunter den des Regierungschefs.

Mit Tränen in den Augenwinkeln gestand er am Abend seine Niederlage ein und versprach seinem Gegner Unterstützung: „Viel Glück für François Fillon – und viel Glück für Frankreich.“ Er selbst werde sich nun wieder ganz seiner bisherigen, erfüllenden Aufgabe als Bürgermeister von Bordeaux widmen. Beobachter sahen den populären Juppé lange als aussichtsreichsten Kandidaten. Mit einem Reformprogramm, das als weniger „brutal“ war als jenes von Fillon, wollte er auch Wähler der Mitte und sogar der Linken ansprechen.

Letztlich konnte der trocken und kühl wirkende Politiker aber keinen echten Enthusiasmus erzeugen und geriet ins Hintertreffen gegenüber dem autoritär und souverän auftretenden Fillon. Dieser präsentierte ein sehr präzises Programm, das ihm den Ruf einbrachte, er sei ein „französischer Thatcher“.

Er kündigte unter anderem das Ende der 35-Stunden-Woche ohne automatischen Lohnausgleich an, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte und die Kürzung von 500.000 Beamtenstellen. Außenpolitisch warb er für eine Annäherung an Moskau, um die aktuellen Konflikte mithilfe des Dialogs zu lösen. Sein wertkonservatives Weltbild und das Versprechen, er werde zwar nicht die von Präsident François Hollande eingeführte Homo-Ehe rückgängig machen, wohl aber die Möglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare, Kinder zu adoptieren, brachte ihm die Unterstützung katholisch-konservativer Kreise ein – aber auch den Widerstand von Schwulen- und Lesben-Verbänden, die zur Wahl Juppés aufgerufen hatten.
Denn es beteiligten sich nicht nur Parteimitglieder, sondern auch traditionelle Links-Wähler, um das Ergebnis mit zu beeinflussen. Davon könnte mit abhängen, ob Hollande erneut antritt – seiner großen Unbeliebtheit zum Trotz. Da er nicht als natürlicher Kandidat der Sozialisten gilt, organisieren auch sie Ende Januar Vorwahlen. Bis 15. Dezember können sich die Bewerber anmelden. Den Druck auf Hollande verstärkte nun der bisher loyale Premierminister Manuel Valls, indem er erstmals eine Kampfkandidatur nicht ausschloss. Ausgerechnet gestern erklärte der 54-jährige Regierungschef in einem Interview, er wolle „angesichts der Verunsicherung, des Zweifels, der Enttäuschung“ der Linken ein Signal der Hoffnung geben. „Jeder muss verantwortlich seine Überlegungen anstellen“, so Valls. Eine Entscheidung stehe kurz bevor.

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