Smog und Autoverkehr in Peking Flucht aus der Monstermetropole

Peking · Smog und der dichte Autoverkehr machen die chinesische Hauptstadt praktisch unbewohnbar. Nun setzt die Stadtverwaltung auf Dezentralisierung.

 Smog hängt dick über dem Verkehr in Peking.

Smog hängt dick über dem Verkehr in Peking.

Foto: picture alliance / dpa

Bauarbeiter zerren zwei Meter hohe Jungbäume von einem Lastwagen. Sie mühen sich mit den sperrigen Ästen. Die Bäume sollen eine vierspurige Straße säumen, die erst vor Kurzem fertig gestellt wurde. Dahinter erstreckt sich eine gigantische Baustelle. Auf einer großen Plakatwand ist zu sehen, was geplant ist: ein komplett neuer Stadtteil aus Wohnsilos, Einkaufszentren, Schulen, und mittendrin ein Vergnügungspark mit Lagunen und Palmen.

Diese Baustelle, rund 70 Kilometer südöstlich vom Pekinger Stadtzentrum entfernt, ist eine von vielen Hundert im Umland der chinesischen Hauptstadt.

Rund 23 Millionen Einwohner zählt Peking derzeit. Geht es nach dem Willen der chinesischen Führung soll die chinesische Hauptstadt noch größer werden und mit der benachbarten Hafenmetropole Tianjin und den Städten der umliegenden Provinz Hebei zu einem gigantischen Ballungsraum zusammenwachsen. Kommen die Pläne zustande, werden in dieser Megametropole rund 130 Millionen Menschen leben, mehr als in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Polen zusammen.

Große städtebauliche Sünden

Diese Pläne entstammen keineswegs den Federn größenwahnsinniger Parteisekretäre. Sie sind aus der Not geboren. Viele Jahrzehnte war Peking geprägt von Gassen mit vielen Tausend Hofhäusern. Zwar hatte Peking bereits unter Mao damit begonnen, viele dieser traditionellen Viertel durch eintönige Plattenbauten zu ersetzen. Er ließ zudem die alte Stadtmauer einreißen und eine achtspurige Ringstraße errichten. Die großen städtebaulichen Sünden kamen aber mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem massiven Zuzug ab Mitte der achtziger Jahre.

Und die Pekinger Stadtverwaltung beging Fehler, die kaum mehr zu beheben sind. Anstatt die vielen neu entstehenden Stadtzentren frühzeitig mit einem dichten U-Bahn-Netz zu verbinden, setzte Peking auf breite Schnellstraßen für dicke Autos. Während andere chinesische Metropolen wie etwa Schanghai auf Verdichtung setzten und vor allem in die Höhe wuchs, ging Peking in die Breite.

Das Pekinger Stadtgebiet misst heute über 15 000 Quadratkilometer. Wegen der langen Anfahrtswege sind die Straßen ständig verstopft. Zweistündige Staus im Morgenverkehr sind die Regel. Alle paar Monate eröffnet zwar eine neue U-Bahn-Linie. Im Nachhinein die urbanen Knotenpunkte mit einem unterirdischen Schienensystem zu verbinden, ist jedoch kompliziert und teuer. Weil die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel umständlich bleibt, setzen die Pekinger weiter aufs eigene Auto.

Hinzu kommt der Smog. Autos tragen offiziellen Angaben zu rund einem Viertel der Luftverschmutzung bei, der Löwenanteil der hohen Feinstaubbelastung geht auf die Schwerindustrie zurück. Doch die Menge macht's: Seit 2008 hat sich in Peking die Zahl der Autos auf fast sechs Millionen mehr als verdreifacht. Die regierungsnahe Akademie der Sozialwissenschaft stellte Anfang 2015 in einer Studie fest, dass der dichte Verkehr und die extreme Schadstoffbelastung Peking „praktisch unbewohnbar“ mache.

Die Stadtoberen haben die Probleme erkannt

Doch die Stadt zurückzubauen und auf diese Weise das hohe Verkehrsaufkommen zu senken, lässt sich nach Ansicht von Experten nicht bewerkstelligen. Dazu sei die Stadt zu groß. Daher setzt die Stadtverwaltung nun auf Dezentralisierung.

So ist sie derzeit dabei, sämtliche ihrer Verwaltungseinheiten nach Tongzhou zu verlegen, ein ländlicher Vorort südöstlich der Hauptstadt. Um mehr als zwei Millionen Einwohner soll die Pekinger Innenstadt durch diesen Umzug entlastet werden. Auch Universitäten und Staatsunternehmen sind angehalten, ihre Sitze ins Umland zu verlegen. Eine Wahl haben die Betroffenen nicht. Wollen sie ihre Jobs behalten, müssen sie mitziehen. Immerhin soll ihnen der Zwangsumzug ein Stück weit schmackhaft gemacht werden: mit Palmen und Lagunen.

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