Proteste in Hongkong Feiern gegen die kommunistische Führung

PEKING · Die Demokratie-Proteste in Hongkong vermiesen der Peking-treuen Stadtregierung die Feiern zum chinesischen Nationalfeiertag: Die Fahnenzeremonie wird verkürzt, ein Feuerwerk am Abend komplett abgesagt. Auf den Straßen feiern hingegen Zehntausende Demokratie-Aktivisten den inzwischen vierten Tag ihrer Blockaden.

 Die chinesische Führung nennt sie "radikale Elemente", die jungen Polit-Kritiker sind auch in dem Punkt anderer Meinung.

Die chinesische Führung nennt sie "radikale Elemente", die jungen Polit-Kritiker sind auch in dem Punkt anderer Meinung.

Foto: EPA

Eigentlich wollte Hongkongs Regierungschef Leung Chun-ying am Mittwoch feiern. 65 Jahre ist es her, dass Mao Zedong auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking die Volksrepublik ausrief. Und weil die Sonderverwaltungszone Hongkong die längste Zeit nicht Teil dieses Chinas war, wollte Leung seine Treue zur kommunistischen Führung umso pompöser zur Schau stellen.

Der Morgen sollte mit dem feierlichen Hissen der chinesischen und Hongkonger Flagge beginnen. Eine leichte Brise weht für einen kurzen Moment über den Paradeplatz direkt am Hongkonger Hafen in der ansonsten brütenden Morgenhitze.

Doch dann kommt es anders: Kaum hat das Orchester die chinesische Nationalhymne beendet, ertönen im Hintergrund bereits die lautstarken Buhrufe der Demonstranten. "Wir wollen echte Demokratie", rufen sie im Sprechgesang. Die chinesische Flagge ist nicht einmal vollständig hochgezogen, da verlassen die handverlesenen Gäste bereits die Tribüne - wohl aus Angst, der Protest könnte auch sie treffen.

Seit nunmehr vier Tagen blockieren Hongkonger zu Zehntausenden mehrere Geschäftsviertel der Sieben-Millionen-Metropole, unter anderem auch das Regierungs- und Finanzviertel im Herzen der Stadt. Sie fordern von der kommunistischen Führung in Peking freie Wahlen, die die Bezeichnung auch verdienen.

Für das Jahr 2017 hatte Peking versprochen, dass die Hongkonger ihren Regierungschef erstmals direkt wählen dürfen. Doch im August präzisierte die kommunistische Führung ihre Vorgaben: Die Zahl der Kandidaten ist auf maximal drei minimiert, die allesamt von Peking vorselektiert werden. Eine Farce, finden die Hongkonger. Seitdem tobt der Protest.

Liem Tai ist empört. "Schauen Sie sich doch um", sagt der 21-jährige Physik-Student und zeigt auf die vielen jungen Leute um sich herum. Sie befinden sich auf dem Tamar-Platz vor dem gigantischen Betonklotz der Hongkonger Regierung.

Direkt neben ihnen führt zwischen den gläsernen Bankentürmen eine große Zufahrt auf die Stadtautobahn. Doch Autos sind schon seit einer Woche keine mehr zu sehen. Stattdessen ist die komplette Straße besetzt mit campierenden Schülern und Studenten.

Sie fächern sich Luft zu. Einige von ihnen spielen Karten, andere mit ihren Smartphones, eine junge Schülerin macht ihre Schulaufgaben - inmitten der Blockade. Helfer verteilen Wasserflaschen und laufen mit schwarzen Müllsäcken herum. Sie haben weiße Gummihandschuhe an und sammeln jeden Papierschnipsel einzeln auf. "Sehen so Chaoten aus", fragt Tai.

In den chinesischen Staatsmedien ist über die Demonstranten in Hongkong dennoch seit Tagen von "radikalen Elementen" die Rede, von "Gewalttätern" und einer "extremen Minderheit". Die chinesische Führung selbst verurteilte die Demonstrationen in Hongkong als "illegale Versammlungen", die den "sozialen Frieden" gefährden.

Aus der eigentlich vorgesehenen Aktion, mit "Occupy Central" lediglich den Verkehr des Finanz- und Regierungsviertels lahmzulegen, ist am vierten Protesttag tatsächlich eine stadtweite Bewegung geworden. Demokratie-Aktivisten blockieren den Verkehr von mindestens drei weiteren Stadtteilen. Vor allem am Abend füllen sich die Straßen. Die Polizei, die in den vergangenen Tagen die Zahlen stets nach unten drückte, sprach am Mittwochabend sogar von "mehreren Hunderttausend Teilnehmern".

So haben die Occupy-Aktivisten am frühen Mittwochmorgen ihren Protest auch auf das besonders unter chinesischen Festlandtouristen beliebte Einkaufsviertel Tsim Sha Tsui ausgedehnt. Ausgerechnet am chinesischen Nationalfeiertag, dem profitträchtigsten Tag im Jahr.

Doch viele der Edelboutiquen auf der noblen Canton Road haben ihre Türen geschlossen. "Wir wollten eigentlich nach Hongkong zum shoppen", sagt eine junge Touristin vom chinesischen Festland. "Nun protestieren wir mit für mehr Demokratie", freut sie sich und setzt ihre modische Sonnenbrille auf. Ihren Namen will sie aber nicht preisgeben. Schließlich wolle sie auch wieder nach China einreisen können, sagt sie.

Noch am Vortag hatten Aktivisten wie Tai befürchtet, Hongkongs Peking-treue Regierung könnte zum Nationalfeiertag die Blockaden räumen lassen. Dazu kommt es auch bis zum späten Abend nicht. "Der verheerende Polizeieinsatz vom Sonntag steckt der Regierung noch in den Knochen", vermutet Tai.

Am Abend des ersten Blockadetag hatten Bereitschaftspolizisten versucht, die Blockierer mit Gewalt von der Straße zu vertreiben. Sie setzten Pfefferspray und Tränengas ein. Viele Demonstranten hatten allerdings Regenschirme dabei und spannten sie zum Schutz auf. Diese Bilder gingen um die Welt. Seitdem wird Hongkongs Protest auch als "Regenschirmrevolution" bezeichnet. "Dieser Schuss ging nach hinten los", sagt Tai. "Seitdem sind wir ja noch mehr auf der Straße."

Einen Angriff aus der Volksrepublik gibt es aber doch. Wie mehrere Hongkonger Medien berichten, habe es auf Hunderten von Smartphones der Demonstranten eine Hacker-Attacke gegeben. Eine seltene Spionagesoftware befalle nicht nur Android-Handys, sondern auch iPhones, wird ein US-Sicherheitsunternehmen zitiert. Die Angreifer könnten E-Mails, Kurznachrichten, Adressbücher und auch Passwörter mitlesen. Die Spur führe unmittelbar aufs chinesische Festland.

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