Kommentar zu US-Vorwahlen Er oder sie?

Meinung | Washington · Letzte Zweifel sind beseitigt, Spötter ernüchtert: Amerika ist von „Trumpmania“ befallen.

Ein Mann, der folgenlos beim Faschisten Mussolini Anleihen nimmt und sich von den Rassisten des Ku-Klux-Klan hofieren lässt, ein Mann, der an niederste Instinkte appelliert und die Globalisierungsverlierer Amerikas mit apokalyptischen Tiraden in Massen einsammelt, ist der chancenreichste Kandidat für das republikanische Präsidentschaftsticket. Die Welt schüttelt den Kopf. Amerika, was ist nur mit dir passiert?

Auch wenn Donald Trump noch knapp 1000 Delegierten-Stimmen fehlen: Es ist nicht erkennbar, wer ihn noch aufhalten soll. Außer möglicherweise er selbst. Widersacher Marco Rubio hat die ihn gesteckten Erwartungen als junger Hoffnungsträger mit Ausstrahlung auf moderate Wählerschichten nicht erfüllt.

Widersacher Ted Cruz gebärdet sich als einziger Siegfried weit und breit, der sich dem Drachen Donald in den Weg stellen kann. Schönheitsfehler dabei: Cruz ist – unter Republikanern wohlgemerkt – der meistgehasste Mann in Washington. Seine erzkonservativen Positionen bei Themen wie Abtreibung oder Gesundheitsreform haben ihm den Ruf eines gefährlichen Kreuzzüglers eingebracht.

Trump oder Cruz liefe auf die Frage hinaus: Erschießen oder Vergiften? In jedem Fall würde die Demokratin Hillary Clinton, die im anderen politischen Lager ihrem sozialdemokratisch getakteten Konkurrenten Bernie Sanders langsam enteilt, davon profitieren.

Trump wird alles tun, damit er in einem immer wahrscheinlicher werdenden Duell mit Clinton nicht vom Start weg als unwählbares Ekel erscheint. Dabei hilft ihm sein wölfisches Gespür für die Unterströmungen in einer immer stärker auseinander driftenden Bevölkerung.

Trump war es, der als erster konsequent ausgetestet hat, ob man heute noch im Stil der 60er Jahre mit diffusen Versprechungen, kruden Sündenbock-Theorien und Beleidigungen das frustrierte Volk an die Wahlurnen ärgern kann. Man kann.

Aber Trump kann auch anders. Ist das Delegiertensoll für den Parteitag im Juli erfüllt, wird das Chamäleon in ihm durchdringen. Und ein neuer Trump wird die Schlagzeilen erobern: Charmant, versöhnlich, auf die Befindlichkeiten der politischen Mitte zielend, zum Ausgleich bereit.

Trump wechselt dann nur die Rolle. In der Trump-Show zählen Haltungsnoten, nicht Haltungen. Der Despot, der Egomane, der Rassist und Rüpel, der nur austeilen aber nie einstecken kann, der Mann, der Nachdenken für Zeitverschwendung hält, solange sich das Bauchgefühl in Umfrageprozentpunkten abbilden lässt, dieser Donald Trump kommt erst wieder zum Vorschein, wenn es zu spät ist. Dann sitzt er im Oval Office und macht Amerika – alles, aber gewiss nicht „great“.

Hillary Clinton wird das verhindern, sagen die Meinungsforscher. Sie haben sich schon oft genug vertan.

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