Wikileaks-Gründer Assange in London Enttäuschte Hoffnung

London · Ein UN-Ausschuss fordert Freiheit für Julian Assange. Doch London ignoriert den Wunsch.

 Botschaft aus dem Exil: Julian Assange in einer per Video übertragenen Botschaft an seine Anhänger.

Botschaft aus dem Exil: Julian Assange in einer per Video übertragenen Botschaft an seine Anhänger.

Foto: dpa

Es ist eine ausgesprochen schicke Londoner Gegend, in der sich gestern Aktivisten aus aller Welt mit Plakaten und Megafon postiert hatten. Vor der ecuadorianischen Botschaft, direkt neben dem Nobelkaufhaus Harrods, standen sie und protestierten für die Freilassung ihres Helden: Julian Assange. Der Wikileaks-Gründer verschanzt sich seit mehr als dreieinhalb Jahren in dem rot geziegelten viktorianischen Gebäude und kurz keimte diese Woche bei seinen Fans die Hoffnung auf, der 44-Jährige würde sein Asyl verlassen. Sie sollte enttäuscht werden.

Dabei hatte ein Gremium des UN-Menschenrechtsrats zuvor Assanges Zwangsexil als „willkürliche Inhaftierung“ und Freiheitsberaubung eingestuft. Die Festsetzung verstoße gegen internationale Konventionen. Assange sollte erlaubt werden, sich frei zu bewegen, appellierten die Rechtsexperten an die Regierungen Großbritanniens sowie Schwedens. Zudem sollte er Anspruch auf Entschädigung haben.

Das Gutachten gilt im Vereinigten Königreich jedoch nicht als rechtlich bindend, was wiederum Assange und seine Anhänger komplett anders sehen, wie er gestern per Videoschaltung verlautbaren ließ. Es liege keine Anklage gegen ihn vor. Er erklärte das UN-Urteil zum „wirklich wichtigen Sieg, der mich zum Lächeln gebracht hat“. Gleichzeitig forderte er die beiden Länder auf, die Entscheidung der Gruppe umzusetzen.

Doch Vertreter aus London und Stockholm wiesen die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe forsch zurück. Schweden erklärte, die UN-Experten hätten nicht das Recht, sich in eine laufende Justizangelegenheit einzumischen. Der Befund sei „lächerlich“, sagte der britische Außenminister Philip Hammond und nannte den Internetaktivisten einen „Flüchtenden vor der Justiz“. Assange, der die Ausführungen Hammonds als „beleidigend“ bezeichnete, könne jederzeit aus der Botschaft herauskommen. „Er ist nicht von uns inhaftiert.“ Sollte der blasse Mann mit den weißen Haaren jedoch tatsächlich aus seinem Zufluchtsort heraus marschieren, würde er sofort von den britischen Beamten festgenommen und aufgrund eines Haftbefehls nach Schweden ausgeliefert.

Dort wird gegen ihn wegen des Verdachts auf Vergewaltigung ermittelt. Also bleibt der 44-Jährige vorerst weiter in seinem 20 Quadratmeter großen Zimmer, das vollgestellt mit Möbeln ist und ausgestattet mit Computer und einer Lampe, die das Sonnenlicht imitiert. Seit dem 19. Juni 2012 hatte er nur kurze Momente mit echtem Tageslicht. Die hell gestrichenen Wände des Apartments im ersten Stock müssen wie dicke Mauern für den gebürtigen Australier wirken. „Ich vermisse meine Familie“, sagte er gestern.

Seine Mutter Christine wiederum sorgte sich in Medien über den Gesundheitszustand ihres Sohnes: „Sein Körper gibt langsam auf.“ Er habe Herzprobleme, eine chronische Lungenentzündung und schlimme Schulterschmerzen. Assange hatte vor der Veröffentlichung des UN-Berichts bekanntgegeben, er würde sich der britischen Polizei stellen, sollte die Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema willkürliche Inhaftierungen beschäftigt, zu einer negativen Entscheidung kommen.

Nachdem Mitte 2010 die Vorwürfe der sexuellen Belästigung von zwei Schwedinnen laut wurden, kämpfte der Wikileaks-Gründer monatelang von der britischen Hauptstadt aus gegen seine Auslieferung, bekam unter Auflagen Hausarrest und verbrachte mehr als ein Jahr auf dem Landgut eines Freundes, von wo aus er weiter klagte. Doch er verlor. Seine letzte Chance, Asyl zu erhalten, war in der ecuadorianischen Botschaft.

Assange, der die Whistleblower-Bewegung geprägt hat, ist überzeugt davon, dass die Anschuldigungen gegen ihn politisch motiviert sind. Er fürchtet, in Amerika zu landen, falls er sich in Schweden zu den Vorwürfen befragen lassen würde. Dort ist der Zorn auf seine Wikileaks-Enthüllungen, die eine weltweite diplomatische Krise ausgelöst hatten, noch immer groß. Politiker beschimpften ihn damals als „Verräter“ und „Cyber-Terroristen“. Er und Mitarbeiter belegten mithilfe Hunderttausender Dokumente auf der Internetplattform Wikileaks unter anderem Folterungen in irakischen Gefängnissen, andere geheime Militärpapiere beschäftigten sich mit der Lage in Afghanistan und im US-Gefangenenlager Guantanamo.

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