Menschenrechte und Unternehmen Eine Frage der Verantwortung

GENF · Wenn es um Menschenrechte und Unternehmen geht, klaffen Resolutionen und Realität oft weit auseinander.

 Jeansproduktion in Indien: Missstände in Textilfabriken in Entwicklungsländern machen immer wieder Schlagzeilen.

Jeansproduktion in Indien: Missstände in Textilfabriken in Entwicklungsländern machen immer wieder Schlagzeilen.

Foto: dpa

Da war Rutger Goethart doch erschrocken. Gerade hatte der Manager des holländischen Bierbrauers Heineken bei einer Konferenz über "Unternehmen und Menschenrechte" den neuen Beschwerdemechanismus "Speak up" vorgestellt. Mit ihm sollen Mitarbeiter weltweit auf Verletzungen ihrer Arbeits-. Sozialrechte aufmerksam machen können. Doch dann sah sich Goethart Bettina Cruz Velazquez aus dem mexikanischen Oaxaca gegenüber. Die Frau wurde gewaltsam von Sicherheitskräften attackiert, als sie gegen die Aufstellung von mehreren hundert Windrädern protestierte - in einem Gebiet, das den Einheimischen zum Nahrungsmittelanbau dient. Das Projekt wird von Heineken mitfinanziert. "Ich werde dem nachgehen," versprach Goethart ratlos.

Soziale Unternehmensverantwortung, kurz CSR genannt (englisch: Corporate Social Responsibility), ist als Thema in Mode gekommen. Unternehmen sind danach für die sozialen und ökologischen Folgen ihres Tuns verantwortlich und sollen bei Missachtung zur Rechenschaft gezogen werden. Doch die Realität sieht anders aus - insbesondere in Entwicklungsländern.

Kinder- und Zwangsarbeit, illegale Umsiedlungen und Vertreibung der Bevölkerung rund um Bergbauminen oder große Staudammprojekte, Umweltverschmutzung durch Ölförderung, verheerende Brände in Textilfabriken - wie etwa im April 2013 in der Fabrik Rana Plaza in Bangladesh mit 1100 Toten - Bedrohung und Ermordung von Gewerkschaftern und Menschenrechtlern, die auf diese Missstände aufmerksam machen - all das ist rund um den Globus weiter an der Tagesordnung.

Dabei mangelt es nicht an Papieren und Resolutionen zur Unternehmensverantwortung. Im Jahre 2011 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die "Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte" verabschiedet. Staaten sollen die Unternehmen zu verantwortlichem Handeln verpflichten. Die Firmen selbst sollen Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette beachten - also die Einhaltung internationaler Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards auch von ihren Zulieferern verlangen. Opfer müssen Entschädigungen erhalten.

Doch während Politiker die UN Leitprinzipien als wegweisendes Instrument preisen, zeichnen Kritiker wie etwa Audrey Gaughran, Direktorin für globale Themen bei Amnesty International, ein düsteres Bild. "Die UN Leitprinzipien haben an der Realität nicht viel geändert", so Gaughran. "Zwar gibt es mehr und mehr gute Absichtserklärungen von multinationalen Konzernen. Doch sobald ein Unternehmen in einen Fall verwickelt ist, wird sofort wieder geleugnet."

Das größte Problem: Die UN Leitprinzipien sind - wie so viele Bekundungen zu CSR - freiwillig und rechtlich nicht verpflichtend. Amnesty-Frau Gaughran: "Wir brauchen ein Gesetz, das genauso grenzüberschreitend ist wie die Geschäfte der Konzerne."

Immerhin: In Deutschland macht man sich jetzt an die Erstellung eines Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN Leitprinzipien - so wie ihn andere Länder, etwa Großbritannien oder Dänemark, bereits haben. Bis 2016 soll dem Kabinett ein Entwurf dazu vorliegen, heißt es beim Auswärtigen Amt. Hermes Bürgschaften und Exportgarantien sollen Umwelt- und Sozialkriterien berücksichtigen.

Das war bislang nicht immer der Fall, kritisiert das Netzwerk für Unternehmensverantwortung CorA (Corporate Accountability). Heike Drillisch, Koordinatorin des Netzwerks, nennt das Staudamm-Projekt Hidrosogamoso in Kolumbien. "Das wird von deutscher Seite mitgefördert, obwohl es in die Weltbank-Kategorie A für hohes soziales und ökologisches Risiko fällt", erklärt sie. Laut CorA wird das Wasserkraft-Projekt mit einer Hermes-Bürgschaft über rund 73 Millionen Dollar abgesichert. Auch Drillisch fordert nun ein verbindliches Instrument, um Unternehmen zu sozialem und ökologischem Handeln zu verpflichten. Ein solches wollen die UN entwickeln. Doch die Debatten darüber werden noch Jahre andauern.

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