Europäische Union Eine EU-Armee liegt in weiter Ferne

Brüssel · In diesem Jahr soll mit einer neuen Sicherheitspolitik begonnen werden. Dabei ziehen nicht alle Verantwortlichen an einem Strang.

 Kommissionschef Jean-Claude Juncker stellt klar: „Die europäische Armee ist eher eine Vision für die nicht allzu nahe Zukunft."

Kommissionschef Jean-Claude Juncker stellt klar: „Die europäische Armee ist eher eine Vision für die nicht allzu nahe Zukunft."

Foto: picture alliance / dpa

Die EU rüstet sich für den Kampf gegen „die Bedrohung von innerhalb und außerhalb unserer Gesellschaften, die Angst und Unsicherheiten schaffen“. Kurz bevor sich die Verteidigungsminister der Union am Montagabend in Bratislava trafen, schickte die italienische Amtschefin Roberta Pinotti ein Papier mit diesem Satz an die Kolleginnen und Kollegen. Nur wenige Wochen nach dem deutsch-französischen Vorstoß mit dem Titel „Hin zu einer umfassenden, realistischen und glaubwürdigen Verteidigung der EU“ wollte Rom nicht zurückstehen und das untermauern, was in Brüssel als Imageprojekt der künftigen 27er Gemeinschaft gesehen wird: Die Zusammenlegung, Abstimmung und der Ausbau der europäischen Sicherheitspolitik – wohlgemerkt nach innen und außen.

Nach dem Brexit-Votum, der sozusagen als Symbol für das geschwundene Vertrauen der (britischen) Bürger in die EU steht, wollen die verbleibenden Mitgliedstaaten mit dem Projekt genau das angehen, was den Bürgern unter den Nägeln brennt: Grenzen schützen, Einwanderung begrenzen und kontrollieren sowie dem Terror die Stirn zeigen. „Größe und Natur“ dieser Aufgabe, so schreibt die römische Regierung, überstiegen „die Möglichkeiten eines jeden einzelnen Staates, was Kooperation nicht nur wünschenswert macht, sondern auch unausweichlich“.

Seitdem nicht zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident François Hollande die Idee öffentlich gemacht haben, geistert sie unter dem Stichwort „EU-Armee“ durch die Diskussionen. Dass es darum – zumindest zunächst – nicht geht, bemühte sich in der Vorwoche Kommissionschef Jean-Claude Juncker klarzustellen: „Die europäische Armee ist eher eine Vision für die nicht allzu nahe Zukunft. Sie steht nicht am Anfang unserer Zusammenarbeit in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik, sondern ist das logische Endprodukt dessen.“

Allerdings hat die Union mit militärischer Zusammenarbeit keine allzu guten Erfahrungen gemacht. 2005 errichtete man beispielsweise die sogenannten Battle-Groups, Einheiten mit 1500 bis 3000 Soldaten, die im Krisenfall schnell vor Ort sein sollten. Genutzt wurden sie nie. Schon in den kommenden Monaten, so wollen es auch die EU-Verteidigungsminister am Dienstag in Bratislava vereinbaren, könnte ein gemeinsames Hauptquartier für militärische Operationen eingerichtet, die Grundlage für die Entsendung der Battle-Groups überarbeitet und ein gemeinsamer Verteidigungsfonds installiert werden.

Im nächsten Schritt soll die Beschaffung wehrtechnischer Güter harmonisiert werden – ein Vorschlag, der den Mitgliedsstaaten vor allem deswegen gefällt, weil er zwischen 25 und 100 Milliarden Euro pro Jahr (Juncker) für die nationalen Wehretats einsparen könnte. Parallel dazu ist eine Zusammenlegung der Transportkapazitäten im Gespräch.

Doch die Begeisterung hält sich noch in Grenzen. Der slowenische Premier Miro Cerar sprach sich bereits deutlich gegen diese Pläne aus, die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaité ebenfalls. Schließlich ist noch nicht klar, wie ein solches Engagement innerhalb der EU installiert werden kann. Nachdem die Briten ihren Ausstieg planen und damit der größte Bremser wegfällt, wären die übrigen Länder frei, eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit leichter zu beschließen. Einstimmigkeit ist dafür nicht nötig, wohl aber eine qualifizierte Mehrheit.

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