Joachim Gauck zu Besuch in Frankreich Ehrendoktor für Joachim Gauck

Paris · Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit erhält Joachim Gauck in Paris den Ehrendoktor. Der scheidende Bundespräsident nutzt seine letzte Zeit im Amt, um die Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich zu stärken.

 Joachim Gauck in der Bibliothek der Academie Francaise.

Joachim Gauck in der Bibliothek der Academie Francaise.

Foto: dpa

Es ist eine grandiose Abschiedsvorstellung, die Paris an diesem Tag für Joachim Gauck inszeniert. Der Bundespräsident wird mit höchsten Ehren bedacht, erst im Großen Auditorium der Universität Sorbonne, später in der exklusiven Académie française. Und die Ehre gilt nicht nur ihm, sondern auch Deutschland. Es ist, als ob Paris und Berlin doch noch einmal zusammenrücken wollen, um zu retten, was zu retten ist, nach britischem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten.

An der Sorbonne erscheint Gauck, wie die Tradition es vorschreibt, im knöchellangen Talar, kanariengelb und weiß. Sichtlich bewegt nimmt er minutenlangen Applaus entgegen. Und er hat den Gästen eine Rede mitgebracht, in die er noch einmal vieles hineinpackt, was ihn in den letzten fünf Jahren beschäftigt hat. Vor allem das Projekt Europa, das er 2013 noch voller Euphorie ausbauen und vertiefen wollte, und das er heute vom Scheitern bedroht sieht.

Bewunderung für Frankreich

Aber er macht auch seine Bewunderung für Frankreich spürbar, für Paris, die kulturelle Hauptstadt Europas, den „Sehnsuchtsort“, der ihm früher, als DDR-Bürger, unerreichbar schien.

Dann die hoch exklusive Académie, deren 40 Mitglieder die Unsterblichen genannt werden, traditionsreich wie elitär, 1635 offiziell gegründet. Im Revolutionsjahr 1789 war zuletzt ein Staatsgast aus Deutschland hier, Prinz Heinrich von Preußen. Nun Bundespräsident Gauck, der Ex-Pastor aus Rostock, zwei Tage nach seinem 77. Geburtstag, wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit.

Über den Begriff „Romantik“ sollte er mit den Mitgliedern der Académie diskutieren, so hatten sie ihm es vorgegeben. Ausgerechnet. Franzosen mögen die Romantik als Epoche der Kunst und geistige Strömung für etwas typisch Deutsches halten. Gauck sieht das distanziert. Schöne Gedichte, wunderbare Gemälde, aber politisch hochproblematisch, geistiger Nährboden für den deutschen Sonderweg, der die Nation und ganz Europa ins Verderben stürzte. Darüber spricht er vor der Académie. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen.

Viel Ehre für den Bundespräsidenten. Dabei wissen die meisten Franzosen kaum, dass es in Berlin nicht nur Angela Merkel gibt, die fast schon ewige Kanzlerin, sondern auch einen Präsidenten. Aber Gauck hat sich in den fünf Jahren seiner Amtszeit doch auch Respekt in Frankreich erworben, vor allem durch einen besonderen Auftritt: Es war im September 2013, als erstes deutsches Staatsoberhaupt war er gemeinsam mit Präsident François Hollande, nach Oradour-sur-Glane gekommen, in den Ort, der wie kein zweiter in Frankreich für die Verbrechen der Nationalsozialisten steht.

Am 10. Juni 1944 hatten Soldaten der Waffen-SS dort über 600 Menschen ermordet. Gauck traf gemeinsam mit Hollande den 88-jährigen Überlebenden Robert Hébras. Im Juni 2016 empfing er Hébras noch einmal zu einem Mittagessen im Schloss Bellevue.

Diese Geste hat Gauck in Frankreich Aufmerksamkeit verschafft. Auch mit dem Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein Jahr später am Hartmannsweilerkopf im Elsass oder den Feiern zum 50. Jahrestag des Élysée-Vertrags hat er sich bekannt gemacht.

Anerkennung für seine Bemühungen um die deutsch-französische Freundschaft

An diesem Donnerstag erfährt Gauck die Anerkennung für sein Bemühen um die deutsch-französische Freundschaft. Der Mann aus Rostock spricht kaum französisch, Polen ist ihm biografisch näher als Frankreich, aber zugeneigt ist er dem Nachbarn im Westen doch. Voller Leidenschaft beschreibt er das linke Seine-Ufer als Ort der Freiheit und der Poesie, der Wissenschaft und Kunst.

Mit seinen letzten Reisen als Bundespräsident will Gauck noch einmal Zeichen setzen. In der nächsten Woche besucht er am 7. Februar das niederländische Maastricht, wo vor genau 25 Jahren der Vertrag über die Europäische Union unterzeichnet wurde. Und zwei Tage später reist er in die lettische Hauptstadt Riga, wo er die drei Staatsoberhäupter der baltischen Staaten trifft.

Deren Sorge vor russischer Hegemonie hatte er immer unterstützt - nach der Annexion der Krim hält er das für notwendiger als je zuvor. Ob sich sein mutmaßlicher Nachfolger Frank-Walter Steinmeier gegenüber Russland anders positioniert, wird sich bald zeigen. (dpa)

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