Kommentar Ebola - Ansteckende Angst

Ein Präsident, der seinen Tageskalender demonstrativ über den Haufen wirft, um den obersten Seuchenschützer zu geben, vermittelt Entschlossenheit. Die Prioritätenverschiebung soll zeigen: Ich bin an Deck. Ich bin der Kümmerer. Sorgt euch nicht.

Im Fall von Barack Obama und Ebola hat die Grundregel des Krisenmanagements das Gegenteil erzeugt. Auch weil sie zu spät angewandt wurde. In den Vereinigten Staaten stecken sich immer mehr Menschen mit dem Virus an - dem Virus der Angst.

Aus der Perspektive Afrikas betrachtet, wo die Seuche über 4500 Menschen dahingerafft hat und in den nächsten Monaten mit dem Schlimmsten zu rechnen ist, wirkt die stellenweise panikartige Atmosphäre in den USA grotesk: Luxussorgen eines reichen Industrielandes. Ob Deutschland von der Hysterie verschont bleiben wird, ist noch nicht ausgemacht.

Was ist geschehen? Ein Patient in Texas ist bisher gestorben. Zwei Krankenschwestern haben sich infiziert. Dabei gab es Pannen. Zum Vorschein kommt ein Gemisch aus Arglosigkeit, Kompetenzwirrwarr, Schlamperei, Beschwichtigung und Alarmierung. Nicht gut. Aber ein penibel durchgeregeltes Land mit großem Katastrophen-Knowhow, in dem in manchen Jahren Zehntausende ohne mediale Begleitmusik an Grippe sterben, sollte damit erwachsen umgehen können.

Die Realität sieht anders aus. Wer den Fernseher einschaltet, die Zeitungen aufschlägt oder durchs Internet klickt, wird mit einer monothematischen "Outbreak"-Berichterstattung überzogen, die gelinde gesagt, nicht durchgängig auf den Verstand zielt. Aber unterschwellig immer auf das Angstzentrum der Menschen.

Krasses Beispiel. Ein bekannter Bestseller-Autor ohne medizinische Expertise durfte zur besten Sendezeit sagen, dass das Ebola-Virus wahrscheinlich bald mutieren werde und dann auch (wie Grippe) über die Luft übertragen werden kann. Eine Einschätzung mit verheerenden Dimensionen, die so ziemlich allem widerspricht, was Regierung, Mediziner und Seuchenschutzbehörden sagen.

Obamas Versuche, die Richtlinienkompetenz bei der Bewältigung von Ebola zu erobern und mit kühler Analyse Gesundheitsvorsorge zu betreiben, können so nicht fruchten. Amerika steht sich bei der Einhegung eines Problems, das keiner Naturkatastrophe gleichkommt, sondern sich seit Jahren herangeschlichen hat, aber auch grundsätzlich selbst im Weg.

Viele Volksvertreter schwingen die Pathoskeule. Sie verlangen Amerika, auch bei der Einhegung einer Seuche, die in Afrika spielt, eine Unfehlbarkeit ab, die es noch nie einlösen konnte. Ob die Supermacht sich aus dieser Falle befreien kann, ist offen. Denn ist das Vertrauen einmal hinreichend erodiert, hört niemand mehr zu, wenn Obama wieder sagen wird: Ruhig bleiben, wir haben alles im Griff.

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