EU-Haushalt EU will Frankreich aus "Sünderbank" entlassen

Brüssel · Die EU plant, Frankreich nach neun Jahren aus dem Defizitverfahren zu entlassen. Gegen Italien handelt sie trotz schlechter Zahlen nicht - wegen guter Perspektiven.

 Die Nationalflagge von Frankreich.

Die Nationalflagge von Frankreich.

Foto: picture alliance / dpa

Die Sorge der EU um ihr italienisches Familienmitglied ist groß. Am Mittwoch ließ die Brüsseler Kommission sogar ihr schärfstes Schwert gegen überzogene Haushalte stecken. Denn eigentlich hätte sie Rom auf die Anklagebank der Euro-Zone setzen müssen. Das Land ist hoffnungslos überschuldet, aber dennoch auf einem guten Weg – bisher.

Pierre Moscovici brachte das Kunststück fertig, aus schlechten Zahlen eine gute Nachricht zu machen. Der EU-Währungskommissar legte am Mittwoch in Brüssel die Haushaltsempfehlungen für die Mitgliedstaaten vor – und gab sich erkennbar Mühe, die ohnehin EU-kritischen Koalitionspartner in Rom nicht noch zusätzlich gegen sich aufzubringen. Mit 132 Prozent seiner Jahreswirtschaftsleistung ist das Land im Süden der Gemeinschaft derzeit verschuldet – erlaubt sind 60 Prozent.

„Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende“, sagte Moscovici. Denn „derzeit“ sei Italien auf einem guten Weg und erfülle sogar die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Soll heißen: Ohne Politikwechsel am Tiber werde die Staatsverschuldung in diesem und im nächsten Jahr weiter zurückgehen. Die Gesundung des Landes liege also im Plan – vorausgesetzt, die beiden möglichen Regierungspartner von der rechten Lega Nord und der eher linkslastigen Fünf-Sterne-Bewegung setzen ihre Ausgabenpläne im Koalitionsvertrag nicht um. Dennoch, so der Euro-Kommissar, sei ein Verfahren derzeit nicht gerechtfertigt. Mit dem geltenden Haushalt werde „ein richtiger Kurs fortgesetzt“.

Diese gute Nachricht passt zum Gesamtbild der Währungsunion. Noch im Jahr 2011 liefen gegen 24 Länder Defizitverfahren, weil sie sich in der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich höher als die erlaubten drei Prozent verschuldet hatten. Inzwischen ist die Sünderbank leerer geworden. So soll nach neun Jahren auch das Strafverfahren wegen unseriösen Haushaltens gegen Frankreich beendet werden. Staatspräsident Emmanuel Macron konnte verbesserte Etatdaten nach Brüssel schicken: Zum ersten Mal seit 2007 lag das Defizit bei nur noch 2,6 Prozent und damit unter der Drei-Prozent-Hürde, die der Maastrichter Vertrag vorschreibt. Nur der Anteil der Staatsschulden an der Jahreswirtschaftsleistung fällt mit 97 Prozent unerlaubt hoch aus.

Deutschland steht dagegen mit einem ausgeglichenen Haushalt da, kann auch auf einen sinkenden Schuldenanteil am Bruttoinlandsprodukt (68,1 Prozent) verweisen. Dennoch gab es eine Ermahnung: Die Bundesrepublik müsse mehr für Bildung, Forschung und Innovationen tun. Berlin solle steuerrechtliche Anreize schaffen und Strukturreformen einleiten, um öffentliches wie privates Kapital zu nutzen. Kritik äußerte die Kommission auch am Steuersystem, das nicht effizient sei und außerdem Investitionen nicht begünstige. Die hohe Zahl der Beschäftigten in Teilzeit müsse als Signal für fehlende Betreuungsangebote für Kinder verstanden werden.

Vorhaltungen machte die Kommission den sieben Nicht-Euro-Ländern Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn. Alle sind laut Vertrag verpflichtet, die Gemeinschaftswährung auf kurz oder lang zu übernehmen. Euro-reif aber sei keiner. Nicht ein Land erfülle die sogenannten Wechselkursbedingungen. Die Staaten müssen zwei Jahre lang nachweisen, dass sie ihre Währungen stabil halten können, ohne sie gegenüber dem Euro mit großen Ausschlägen auf- oder abzuwerten.

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