Streit um Handelspakt Belgien sucht Ausweg aus der Ceta-Blockade

Brüssel · Ceta und kein Ende: Die Debatte über das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada nimmt scheinbar immer weitere Wendungen. Doch die Uhr tickt nun hörbar.

Demonstration gegen Ceta und TTIP in Berlin im September. Die EU und Kanada halten an den Verhandlungen fest.

Demonstration gegen Ceta und TTIP in Berlin im September. Die EU und Kanada halten an den Verhandlungen fest.

Foto: Jörg Carstensen/Archiv

Zwei Tage vor dem geplanten EU-Kanada-Gipfel hat Belgien weiter unter Hochdruck nach einem Ausweg aus der Blockade des Handelspakts Ceta gesucht.

Außenminister Didier Reynders sagte zwar, es gehe nur noch um letzte Vorbehalte der belgischen Regionen und man hoffe auf eine Lösung. Die EU-Spitzen stellten sich aber schon darauf ein, dass die feierliche Unterzeichnung zumindest verschoben werden muss.

So sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz im Deutschlandfunk: "Ich glaube nicht, dass wir diese Woche noch eine Lösung haben werden." Auch in anderen EU-Institutionen sah man schwarz für den Termin am Donnerstag. "Wir sind nicht naiv", sagte ein EU-Vertreter.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte am Montagabend überraschend bekannt gegeben, dass die EU und Kanada trotz fehlender Einigung den Gipfel noch nicht absagen wollen. Die Sache sei einfach zu wichtig, um nicht bis zur letzten Minute alles zu versuchen, hieß es. Der kanadische Premier Justin Trudeau werde aber nicht am Donnerstag nach Brüssel kommen, wenn Ceta nicht unterschrieben werden könne.

In Belgien bemühten sich am Dienstagnachmittag abermals Vertreter der Föderalregierung und der Regionen, Bedenken der Wallonie und anderer Kritiker auszuräumen. Sie sorgen sich um Umwelt- und Sozialstandards und bemängeln die in Ceta vorgesehenen Mechanismen zur Schlichtung von Streit zwischen Unternehmen und Staaten.

Der Runde lagen neue Kompromisstexte vor, und Außenminister Reynders gab sich zuversichtlich. "Wir sind wirklich am Ende der Diskussionen, ich hoffe, wir können sie abschließen", sagte er. "Aber wie Sie wissen, ist das letzte Komma, das letzte Wort wahrscheinlich am wichtigsten."

Der wallonische Regierungschef Paul Magnette, Wortführer der belgischen Ceta-Gegner, verbat sich erneut jeglichen Zeitdruck. "Wir beugen uns keinem Ultimatum", sagte er und drohte mit dem Abbruch der Verhandlungen. "Wir lassen uns nicht zwingen, unter Druck klein beizugeben, und wir sollten nicht gezwungen werden, das parlamentarische Verfahren zu ignorieren."

Ohne Zustimmung aller Regionen kann Belgien als einziger der 28 EU-Staaten den Handelspakt nicht unterschreiben. Damit ist er für die gesamte EU blockiert. Hektische Vermittlungsversuche der EU hatten zunächst nichts gefruchtet.

Aus der EU-Kommission hieß es auch am Dienstag, die Suche nach einer Lösung erfordere Zeit und Geduld. Parlamentspräsident Schulz sagte: "Wenn man dazu 14 Tage mehr Zeit braucht, verschiebt man eben so einen Gipfel." Er sehe Ceta nicht als gescheitert an.

Doch weitet sich der Streit um das 2014 ausgehandelte Abkommen längst in eine Grundsatzdebatte über die Handlungsfähigkeit der EU. Ursprünglich war geplant, dass nur das EU-Parlament den von der Kommission ausgehandelten Pakt ratifiziert. Doch im Sommer setzte unter anderen Deutschland durch, dass Parlamente in allen 28 Staaten mitreden dürfen.

Schulz sagte dazu: "Entweder wir wollen mehr Demokratie, dann braucht man ein bisschen mehr Zeit und man muss mehr Überzeugungsarbeit leisten." Werde festgelegt, dass es sich um eine europäische Entscheidung handele, werde die Demokratie mit einer Abstimmung im Europaparlament gewährleistet. "Das ist eine Frage, über die wir sicher in der Zukunft nochmal vom Grundsatz her reden müssen."

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