Präsidentschaftswahlkampf in New Hampshire Donald Trump und Bernie Sanders gewinnen Test-Lauf

HAMPTON · Mit den haushohen Siegen des New Yorker Baulöwen Donald Trump und des sozialdemokratisch angehauchten Senators Bernie Sanders haben die beiden großen Parteien in Amerika im Präsidentschaftswahlkampf eine historische Ohrfeige bekommen.

 Bernie Sanders lag am Ende mit 22 Prozentpunkten vor Hillary Clinton.

Bernie Sanders lag am Ende mit 22 Prozentpunkten vor Hillary Clinton.

Foto: dpa

Sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten haben sich beim zweiten wichtigen Testlauf im Rennen auf das Weiße Haus in New Hampshire absolute Außenseiter nicht nur an den etablierten Kandidaten (und Hillary Clinton) vorbeigeschoben - sie haben die Konkurrenz pulverisiert. Trumps Vorsprung auf den Zweitplatzierten John Kasich betrug nach vorläufigen Angaben der Wahlkommission rund 19 Prozent. Sanders lag am Ende mit 22 Prozentpunkten vor Clinton.

Bei den Republikanern hat der seit Monaten in fast allen Umfragen konstante führende Trump im Neu-England-Staat damit die leisen Zweifel nach seinem enttäuschenden zweiten Platz in Iowa vor zehn Tagen ausgeräumt.

Sein Kantersieg im „Granit-State“ beweist: Das Gespenst eines populistischen, sexistischen und rassistischen Lautsprechers, der mit Beschimpfungen und wolkigen Versprechungen den Frust von Millionen Wutbürgern bündelt und schürt, hat konkrete Gestalt angenommen.

Mit New Hampshire ist zum Schrecken des Partei-Apparats das Szenario eines Präsidentschaftskandidaten Trump erheblich realistischer geworden. Zumal die demographisch-religiösen Koordinaten in den Bundesstaaten, die demnächst wählen (Nevada, South Carolina), dem 69-Jährigen stark entgegenkommen.

Trumps Sieg - ohne den man heute bereits die ersten politischen Nachrufe auf ihn lesen würde - ist umso bemerkenswerter, weil er über Jahrzehnte geglaubte Gewissheiten aushebelt. Trump hat in New Hampshire das kleinteilige Von-Haus-zu-Haus-Tingeltangel („ground game“) mit seiner individuellen Wähleransprache samt Händeschütteln einfach ignoriert.

Wahlbeteiligung erreicht Rekordhöhen

Ein paar Groß-Veranstaltungen und große Versprechen (Abschiebung von 12 Millionen Einwanderern, Einreise-Verbot für Muslime, Bau eines Grenzwalls zu Mexiko etc.) haben zur Mobilisierung der Stimmen gereicht. Dass in New Hampshire die Wahlbeteiligung Rekordhöhen erreichte, lag auch maßgeblich an Trump.

Auf der anderen Seite haben mit John Kasich, Jeb Bush, Ted Cruz, Marco Rubio und Chris Christie fünf teilweise gemäßigtere und politisch erfahrungsgesättigte Republikaner zusammen fast 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt.

Je eher einer von ihnen (oder besser gleich vier...) das Ende seiner Bewerbung verkündet, desto früher könnte ein Konsenskandidat des Establishments die Rolle des parteiinternenen Widersachers von Trump übernehmen und Geldgeber für den Wahlkampf auf sich verpflichten.

Je länger dieser Schrumpfungsprozess dauert, den das Partei-Establishment der „Grand Old Party“ schon vor Monaten gern gesehen hätte, desto mehr Zeit bleibt Trump, seinen Erfolg in New Hampshire zu konsolidieren.

Sollte sein Siegeszug bis zum Mega-Wahltag 1. März (dann wählen 14 Bundesstaaten und vergeben eine große Anzahl der letztlich entscheidenden Delegierten-Stimmen) anhalten, wäre Trump nur noch sehr schwer aufzuhalten. Danach bliebe nur noch eine Kampfabstimmung auf dem Nominierungsparteitag im Juli in Cleveland.

Wer sich bei den Kandidaten, die nach Trump ins Ziel kamen, zuerst bewegt, werden die nächsten Tage zeigen. New Jerseys Gouverneur Chris Christie (8 %) hat bereits angedeutet, dass er seine Kampagne überdenken wird. Hauptgrund neben des fehlenden Wählerzuspruchs: ihm geht das Geld aus.

Kleinlauter zeigte sich auch Florida-Senator Marco Rubio (10 %). Der als Geheimwaffe gegen Trump gehandelte Jung-Politiker hatte zuletzt in einer Fernseh-Debatte einen desaströsen Eindruck hinterlassen. Weil sich über 50 % der republikanischen Wähler erst unmittelbar vor dem Urnengang am Dienstag festlegten, bekam der 44-Jährige den Denkzettel. „Ich bin nicht von Euch enttäuscht, sondern von mir selbst“, sagt er.

Sanders deklassiert Clinton

Bei den Demokraten sind die seit Wochen durch Umfragen abgebildeten Befürchtungen im Lager der nominellen Favoritin Hillary Clinton auf krasse Weise wahr geworden. Anders als 2008, als die frühere First Lady durch einen seltenen Gefühlsausbruch viele weibliche Wähler auf ihre Seite zog und den damaligen Konkurrenten Barack Obama bezwang, war diesmal für die Ex-Außenministerin kein Blumentopf zu gewinnen.

Sanders hat mit knapp 60 Prozent der Stimmen Clinton deklassiert. Vor allem bei jungen Wählern unter 25 setzte sich der 74-jährige Senator aus dem Nachbarbundesstaat Vermont mit Riesenabstand durch.

Sein Konzept einer umfassenden Neu-Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands und sein Plan, die Macht der große Banken zu brechen, traf im freiheitsliebenden New Hampshire auf viel Resonanz.

Sanders‘ größtes Pfund ist umgekehrt Clintons schwerste Bürde. In punkto „Vertrauenswürdigkeit“ kam der Sohn polnischer Einwanderer auf Zustimmungswerte von über 90 Prozent. Clinton, die in der Affäre um ihren privaten E-Mail-Server noch immer im Zentrum einer FBI-Untersuchung steht, landete dagegen bei katastrophalen fünf Prozent.

„Clinton größtes Problem“, analysierten in New Hampshire US-Medien, „bleibt Clinton.“ In einer Zeit, in der mehr und mehr Amerikaner Washington und seine Repräsentanten für die Urmutter allen Übels halten, „will eine Frau Präsidentin werden, die den größten Teil ihres Lebens als First Lady, Senatorin und Ministerin in der Hauptstadt verbracht hat.“

In ihrer Rede am Dienstagabend machte Clinton den Versuch, die Niederlage so schnell wie möglich abzuhaken und den Blick auf die kommenden Vorwahlen zu richten. Der Kampf um „jede einzelne Stimme“ werde ab sofort auf das ganze Land ausgeweitet, sagte sie.

Erhöhter Nachweiszwang

Sie nahm für sich in Anspruch, weiter die einzige Garantin für „realistische Veränderungen“ zu sein. Amerika benötige eine Ökonomie, die von „Wachstum“ und „Fairness“ geprägt sei. Ihrem Konkurrenten Sanders warf sie indirekt vor, nur Scheinlösungen zu präsentieren. „Ich werde härter als jeder andere dafür arbeiten, tatsächlichen Wandel herbeizuführen und Euer Leben besser zu machen“, rief sie ihren Anhängern zu.

Sanders steht ab sofort unter erhöhtem Nachweiszwang: Sind seine Ideen finanzierbar und angesichts eines republikanisch dominierten Kongresses umsetzbar?

Ob sein Erfolg in New Hampshire eine Eintagsfliege war oder der Auftakt zu einer Serie, die in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Clinton endet, ist aus heutiger Sicht zumindest zweifelhaft. Hillary Clinton besitzt im Süden des Landes vor allem in der dort relevanten afro-amerikanischen und hispanischen Wählerschaft klare Startvorteile. Bereits durch Siege in Nevada und South Carolina könnte Clinton bis Ende Februar das akute „Bernie“-Fieber drosseln.

Sanders versucht seinerseits bereits heute (Mittwoch) in New York einen Konter. Bei einer Zusammenkunft mit dem einflussreichen Schwarzen-Führer Al Sharpton will der in der afro-amerikanischen Community weithin unbekannte Sanders Fürsprecher und Türöffner gewinnen.

New Hampshire hat den breiten Graben zwischen republikanischen und demokratischen/parteiunabhängigen Wählern drastisch klar gemacht. Während drei Viertel der Demokraten einen Kandidaten mit Amtserfahrung wollten (Sanders gibt sich als Revolutionär, ist aber seit Jahrzehnten Mitglied im Kongress), suchte im konservativen Lager ein großer Teil bewusst nach dem Gegen-Entwurf zum klassischen Karriere-Politiker - darum Trump. Für beide ist das Ziel aber noch meilenweit entfernt.

In New Hampshire holte Sanders 13 von 24 Delegierten-Stimmen. Trump bekam 9 von 23. Insgesamt braucht ein Kandidat bei den Republikanern 1237 Delegierte für die Nominierung im Juli, bei den Demokraten sind sogar 2382 Delegierte notwendig.

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