Mord vor 54 Jahren Die Akte Kennedy: Ab Donnerstag komplett im Internet?

Washington · US-Präsident Trump will mit der Offenlegung der Unterlagen über den Mord an seinem Vorgänger John F. Kennedy Transparenz beweisen. Verschwörungstheoretiker versetzt die Ankündigung derweil in Aufregung.

Kein Mord des 20. Jahrhunderts erzeugt bis heute so viel Spekulation wie das Attentat auf den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in Dallas am 22. November 1963. Laut Umfragen glaubt auch ein halbes Jahrhundert danach nur ein Drittel der Amerikaner an die offizielle Version. Danach soll der Einzeltäter Lee Harvey Oswald aus dem fünften Stock eines Schulbuchlagers drei Schüsse auf das Kabriolett Kennedys abgegeben haben.

In regelmäßigen Abständen kommen jedoch Bücher auf den Markt - inzwischen sind es über 2000 -, die mal den Geheimdienst CIA, mal Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson, mal die kubanischen Kommunisten um Fidel Castro, mal die Glücksspielmafia und mal texanische Ölbarone als Strippenzieher des traumatischen Ereignisses enttarnen wollen. Der Kennedy-Biograf Robert Daliek erklärte das Phänomen mit der Unfähigkeit der Amerikaner, zu akzeptieren, "dass jemand, der so unwichtig war wie Oswald, einen Mann, der so wichtig war wie Kennedy, getötet haben kann".

Das ist die Ausgangslage, bevor am Donnerstag (26. Oktober) auf Anordnung von Präsident Donald Trump im Nationalarchiv die letzten bislang streng unter Verschluss gehaltenen Akten im Zusammenhang mit dem Attentat im Internet freigegeben werden sollen. An diesem Tag läuft eine vor 25 Jahren vom Kongress verabschiedete Geheimhaltungsfrist aus. Muss die Geschichte um John F. Kennedy umgeschrieben werden?

Über 3500 Dokumente

Der parlamentarische Entscheid ging auf den sehenswerten Hollywood-Film "JFK" von Oliver Stone zurück, der 1992 Verschwörungstheoretikern massiv Auftrieb gab. Stone stellte in seinem akribisch recherchierten Werk Jim Garrison in den Mittelpunkt. Der Bezirksstaatsanwalt hatte 1966 in einem Prozess in New Orleans Vertuschungsmanöver aufgedeckt. Sein Fazit lag quer zu dem in 26 Bänden auf 30.000 Seiten festgehaltenen Abschlussbericht der von der Regierung eingesetzten Warren-Kommission, die Oswald die Alleintäterschaft zuschrieb. Viele Kritiker, etwa der deutsche Buchautor Mathias Bröckers, glauben bis heute an einen von Polizei und Geheimdiensten orchestrierten "regime change von innen".

Ob die 3571 Dokumente und 34.000 bisher nur in streckenweise geschwärztem Zustand einzusehenden Unterlagen, die Trump der Öffentlichkeit zugänglich machen will, die These erhärten, halten Kennedy-Experten für zweifelhaft.

Gleichwohl haben CIA und die Bundespolizei FBI laut US-Medienberichten das Weiße Haus bedrängt, zum Schutze noch lebender Ex-Mitarbeiter nicht alle Papiere freizugeben. Vermutung laut Insidern: "Die wichtigsten Institutionen für die nationale Sicherheit kämen sonst sehr schlecht weg."

Zweifel am Tathergang

Dabei gehe es nicht um Zweifel an der Alleintäter-These. Zwei Kugeln Oswalds (der keine 48 Stunden nach der Bluttat bei der Überführung ins Gefängnis vor den Augen von 140 Millionen Fernsehzuschauern von Nachtclubbesitzer Jack Ruby mit einem gezielten Schuss getötet worden war) hatten Kennedy laut Warren-Bericht von hinten getroffen. Der berühmte Acht-Millimeter-Film von Abraham Zapruder zeigt jedoch, wie Kennedys Kopf nach dem zweiten Treffer nach hinten gerissen wird - so, als sei der Schuss seitlich von vorne abgegeben worden.

Experten wie Jefferson Morley oder Philip Shenon erhoffen sich neue Details zu der Mexiko-City-Reise, bei der Oswald Wochen vor dem Attentat - unter Beobachtung der CIA - kubanische und russische Spione traf. Warum wurde Oswald beschattet? Was geschah mit den Erkenntnissen? Wurde hier eine Gelegenheit versäumt, das Attentat zu verhindern?

Dass ausgerechnet Donald Trump für Offenheit in der Causa Kennedy plädiert, wurde in Washington mit einem Schmunzeln registriert. War es doch der Präsident persönlich, der im Wahlkampf den Vater seines damals hartnäckigsten Konkurrenten um das republikanische Ticket, Ted Cruz, in Verbindung zum Kennedy-Mord gebracht hatte. "Was hatte er mit Lee Harvey Oswald zu schaffen, kurz vor dem Tod?", fragte Trump nach Lektüre eines Boulevardblatts aufgeregt auf Twitter, "es ist schrecklich."

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