Martin Erdmann in der Türkei Deutscher Botschafter besucht Deniz Yücel

Istanbul · Martin Erdmann ist Botschafter in der Türkei. Am Dienstag besuchte er erstmals den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel.

Leicht hatte es Martin Erdmann noch nie auf seinem Posten in Ankara. Als der frühere Pressesprecher des Auswärtigen Amtes – unter den Ministern Klaus Kinkel und Joschka Fischer – sowie ehemaliger deutscher Nato-Botschafter im Sommer 2015 sein Amt als diplomatischer Vertreter der Bundesrepublik in der türkischen Hauptstadt antrat, erreichte die Welle von Flüchtlingen über die Türkei nach Europa gerade ihren Höhepunkt.

Wenig später brachen der Streit um die Satire des Fernsehjournalisten Jan Böhmermann und jener um den Armenier-Beschluss des Bundestages los. Auch beim Krach um Auftrittsverbote für türkische Politiker in Deutschland im Frühjahr musste Erdmann türkische Beschwerden über sich ergehen lassen. Am Dienstag nun stand der Diplomat erneut im Zentrum einer Kontroverse: Er besuchte erstmals den inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel.

Nach der Inhaftierung Yücels im Februar hatte die türkische Regierung deutschen Diplomaten zunächst die Besuchserlaubnis verweigert. Anfang April durfte dann der deutsche Generalkonsul in Istanbul, Georg Birgelen, erstmals Yücel besuchen.

Erdmanns Gespräch mit dem Korrespondenten der Tageszeitung „Die Welt“ im Gefängnis von Silivri außerhalb von Istanbul verdeutlichte nun, wie sehr der Fall der Bundesregierung am Herzen liegt: Normalerweise ist die konsularische Betreuung von inhaftierten Bundesbürgern keine Chefsache für die deutsche Botschaft. Bei Yücel ist das anders. Nach dem Besuch im Gefängnis hieß es aus der deutschen Botschaft in Ankara: „Botschafter Erdmann hat heute über eine Stunde frei mit Herrn Yücel sprechen können. Deniz Yücel geht es gut. Die Unterstützung aus Deutschland – Lesungen, Konzerte, Autokorsos – tut ihm gut. Er weiß so, dass er nicht allein ist und nicht vergessen wird.“ Und auch Außenminister Sigmar Gabriel meldete sich zu Wort und bekräftigte, dass man den Journalisten endlich in Freiheit wissen wolle.

Erst kürzlich hatte Erdmann in der „Stuttgarter Zeitung“ in undiplomatischer Klarheit den Umgang der Türkei mit dem Reporter kritisiert. „Es ist nicht klar, was Deniz Yücel überhaupt vorgeworfen wird – bis heute“, sagte Erdmann.

Die Türkei betone stets, dass auch unter dem Ausnahmezustand seit dem Putschversuch des vergangenen Jahres die Regeln rechtsstaatlicher Verfahren eingehalten würden, merkte der Botschafter an. „Umso mehr gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, Deniz Yücel festzuhalten. Er muss freigelassen werden. Ohne Wenn und Aber“, forderte Erdmann.

Dass dies wahrscheinlich ein frommer Wunsch bleiben wird, dürfte auch dem erfahrenen Diplomaten Erdmann klar sein. Der 62-jährige Münsteraner sammelte in seinen Jahren im Auswärtigen Amt und bei der Nato in Brüssel genügend Krisenerfahrung, um die Position der türkischen Regierung illusionslos einschätzen zu können.

Ein dickes Fell kann Erdmann in Ankara gut gebrauchen. Rund ein halbes Dutzend Mal ist er bereits vom türkischen Außenamt einbestellt worden, um Protestnoten entgegenzunehmen. Außerdem wurde der Botschafter im vergangenen Jahr zwei Monate lang von der türkischen Regierung auf Armeslänge gehalten – als Botschafter eines der wichtigsten EU-Länder erhielt er keine Termine bei Ministerien und Behörden mehr. Diese Eiszeit ist inzwischen vorbei. Doch ruhig und friedlich dürfte der Alltag für den deutschen Chefdiplomaten in der Türkei so schnell dennoch nicht werden.

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