Eine letzte Warnung aus Südkorea Der Weltklimarat schlägt Alarm

Südkorea · Der Weltklimarat zeigt den dramatischen Unterschied zwischen einer Erwärmung um 1,5 und zwei Grad – und bestätigt weitgehend die Prognose des Nasa-Klimaforschers James Hansen vor 30 Jahren.

Am 23. Juni 1988 trägt James Hansen vor dem Energy and Natural Resources Committee des US-Senats vor und erklärt, dass die globale Erwärmung mit „99-prozentiger Wahrscheinlichkeit“ nicht durch natürliche Schwankungen verursacht werde, sondern durch vom Menschen freigesetzte Treibhausgase. Zu diesem Zeitpunkt liegt der atmosphärische Gehalt an Kohlendioxid (CO2) bereits bei 351 ppm (parts per million/Teile pro Million) – und damit 70 ppm höher als in vergangenen Warmzeiten. Beim Verlassen des US-Senats sagt der Nasa-Klimaforscher zu den Reportern: „Es ist an der Zeit, mit dem Geschwafel aufzuhören, und zu sagen, dass die Beweise dafür, dass der zusätzliche Treibhauseffekt da ist, ziemlich stark sind.“

2013 bezeichnet Hansen, dessen Prognosen sich alle bewahrheiteten, die letzten 25 Jahre beim Klimaschutz als „Zeitverschwendung“: „Unser Wissen über die Auswirkungen von Treibhausgasen hatte nur sehr geringe Auswirkungen auf das, was die Welt getan hat.“ Jetzt müssten die CO2-Emissionen so radikal wie möglich gesenkt werden, „wenn wir das globale Klima nahe am Holozän halten wollen – dem Klima der letzten 10.000 Jahre“ – ein stabiles, verlässliches Klima, dass Ackerbau und Viehzucht, später die moderne Zivilisation ermöglichte und aktuell 7,5 Milliarden Menschen.

Das mit dem radikalen Richtungswechsel ist nicht geschehen. Die Mauna-Loa-Messstation in 3800 Metern Höhe auf Hawaii meldete gestern 405,51 ppm CO2. Die Kurve steigt und steigt, weil auf der Erdoberfläche immer mehr Kohle und Öl verbrannt wird.

Letzte Warnung

Gestern dann eine letzte Warnung aus Südkorea: Der UN-Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) berichtete der Welt, was sie erwartet, wenn diese sich statt um zwei Grad seit 1850 „nur“ um 1,5 Grad Celsius erwärmt. Auszüge: Nur halb so viele Menschen würden unter Wassermangel leiden. Weniger Hitzetote, auch an Smog und Infektionskrankheiten würden weniger Menschen sterben. Nur halb so viele Wirbeltiere und Pflanzen würden den Großteil ihres Lebensraums einbüßen. Generell würde es deutlich weniger Hitzewellen, Starkregen und Dürren geben. Es könnte verhindert werden, dass die Eisdecke der westlichen Antarktis in eine unaufhaltsame Schmelze gerät. Auch könnten nicht nur die meisten Korallenriffe, Brutstätten ozeanischer Artenvielfalt, vor dem Absterben gerettet werden, auch hätte die Welt zwei Millionen Klimaflüchtlinge weniger. Denn wissenschaftlich gesichert ist: Flache Eilande werden vom Meer geflutet, wenn die 1,5-Grad-Schwelle überschritten wird.

Die IPCC-Wissenschaftler fordern in ihrer Zusammenfassung des Berichts für politische Entscheidungsträger „schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen“, um dramatische Folgen für das Leben auf der Erde zu verhindern. Die Bereiche sind seit mehr als 40 Jahren bekannt: Energieerzeugung, Auto- und Flugverkehr, Fleischproduktion, industrielle Landwirtschaft.

Vor knapp drei Jahren hatten die Delegierten aus 195 Staaten auf dem 21. UN-Weltklima-Gipfel in Paris beschlossen, alles zu unternehmen, dass die Welt sich nicht um mehr als zwei Grad erwärmt. Nun mahnen die Wissenschaftler: Das reicht nicht. Was also hat sich in drei Jahren oder seit dem letzten IPCC-Report 2013 verändert? In einem Tweet merkt der Ozean- und Klimaforscher Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PiK) an, dass es neue wissenschaftliche Erkenntnisse gebe, insbesondere nach dem vierten US-Klimareport 2017. Der Worstcase liege nun bei „8 Fuß oder 2,5 Metern“ – beim Meeresspiegelanstieg. Es geht also nicht mehr um Millimeter pro Jahr oder ein paar Zentimeter pro Dekade – nicht mehr um eine Größenordnung, in der ein Menschenhaar pro Jahr wächst.

Spur zu den großen Eismassen

Die Spur führt zu den großen Eismassen. Die von Grönland taugen für einen Meeresspiegelanstieg um sieben Meter, die der Westantarktis für drei bis vier Meter. Katja Kriegler, die am PiK alle weltweiten Computersimulationen zum Klimawandel vergleicht, nennt den Kern der allgemeinen Besorgnis. Sie sagt: „Die Grenze für irreversible Verluste des grönländischen Eises, aber auch von Teilen der antarktischen Eismasse, könnte zwischen 1,5 und zwei Grad liegen.“ Das bedeutet, auch die in Paris beschlossene Zwei-Grad-Leitplanke kann „gefährlichen Klimawandel“, wie er einst von der Welt beim Rio-Gipfel 1992 beschlossen wurde, nicht verhindern. Dabei stehen Prozesse im Fokus, die sich selbst verstärken und die der Mensch ab einer bestimmten Schwelle nicht mehr beeinflussen kann.

Denn das Ansteigen des Meerespegels wäre nur eine drastische Folge. Eine schlimmere: Es bleiben dunkle Flächen zurück, die mehr Sonnenstrahlung in Wärmestrahlung verwandeln. Der zusätzliche, menschengemachte Treibhauseffekt würde dann ohne menschliches Zutun weiter verstärkt – und davongaloppieren. Der australische Forscher Tim Flannery hat das einmal anschaulich beschrieben: Die Rückkopplungsmechanismen im Erdklimasystem „müssen wir uns als einen VW-Käfer vorstellen, der einen Panzer den Hang hinunterschiebt. Erst ist es mühsam, das Monstrum in Bewegung zu setzen, aber wenn der Panzer dann rollt, kann der VW-Käfer kaum noch etwas tun, um den Kurs des Panzers zu ändern.“

James Hansen beendete im April 2013 sein Engagement bei der Nasa, um sich fortan auf politischer und juristischer Ebene für die Verringerung von Treibhausgasemissionen einzusetzen. Wenn das Zwei-Grad-Ziel, das er eine „langfristige Katastrophe“ für die Welt nannte, erreicht werden sollte, dürfte der CO2-Gehalt der Lufthülle, so Hansen 2008, 350 ppm nicht überschreiten. Auf der UN-Weltklimakonferenz 2017 in Bonn meinte Hansen: „Die Politiker denken: Naja, wenn wir ein paar Dinge umsetzen, die in die richtige Richtung gehen, dann lösen wir schon das Problem. Aber die Emissionen steigen weiter.“ Und die weltweite Politik habe das 350-ppm-Ziel damals komplett ignoriert.

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