Kommentar zur Entwicklung in Syrien Deprimierend

Meinung | Kairo · Vielleicht ist es gerade die Berechenbarkeit der fortwährenden Katastrophe, die den Syrien-Konflikt so besonders deprimierend macht, kommentiert Karim El-Gawhary.

 Ein Mann liefert Hilfsgüter nach Angriffen der syrischen Luftwaffe.

Ein Mann liefert Hilfsgüter nach Angriffen der syrischen Luftwaffe.

Foto: dpa

Wieder wurde für Syrien ein Waffenstillstand vereinbart. Und wieder gehen die Kämpfe weiter. Auch wenn der russische Präsident Wladimir Putin in einer etwas eigenwilligen Interpretation der Waffenstillstandsresolution des UN-Sicherheitsrates angeordnet hat, dass die Waffen zwischen neun und 14 Uhr schweigen sollen, um humanitäre Lieferungen zu ermöglichen und humanitäre Korridore zu eröffnen.

So, als habe der Krieg nun nur Sprechstunde ab 14 Uhr. Für die gepeinigten Einwohner von Ost-Ghuta ist das eine Erleichterung, die gleichzeitig rechtfertigt, dass sie den Rest des Tages bombardiert werden. Es ist ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt.

Dies war der sechste Versuch, für Teile des Syrienkonfliktes einen Waffenstillstand auszuhandeln. Alle sind bisher gescheitert. Dabei ist der Mechanismus stets der gleiche. Im UN-Sicherheitsrat oder während der sogenannten Friedensgespräche wird eine Waffenruhe vereinbart. Russland und das Regime in Damaskus fordern dann immer Ausnahmeregelungen, die den IS oder die Al-Kaida-nahe Nusra-Front aus dem Waffenstillstand ausnehmen und alle, die mit ihnen zusammenarbeiten.

Das klingt verständlich, schließlich hat die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition auch nichts anderes getan. Doch diese Ausnahmen werden dann als Rechtfertigung verwendet, um weiterhin alles in den Rebellengebieten zu bombardieren, ob militärische Stellungen, Krankenhäuser oder zivile Wohngebiete. Legitime und illegitime Ziele gehen ineinander über.

Wie es weitergehen wird, ist ebenfalls absehbar. Ost-Aleppo im Winter 2016 ist die Blaupause. Es wird solange bombardiert werden, bis die Zivilbevölkerung so zermürbt ist, dass die Rebellen, egal welcher Couleur, aufgeben. Dann tritt Teil 2 in Kraft: die sogenannte Evakuierung mit Hilfe der UNO und des Internationale Roten Kreuzes. Das ist aber nichts anderes als eine politische Säuberung, wenn alle Oppositionellen und ihre Familien um ihr Leben rennen.

Am Ende wird das Regime einen militärischen Sieg feiern und vor einem politisch gesäuberten Trümmerhaufen stehen.Die Opposition wird in den Untergrund gehen. Und auch wenn das Assad-Regime sich gerne als Verteidiger der syrischen Souveränität vermarktet: Das Gegenteil wird der Fall sein. Das Land und seine Regierung hängen am russischen und iranischen Tropf. Die nächsten internationalen und regionalen Konflikte sind damit vorgezeichnet. Im Süden zwischen der Hisbollah und Israel, im Norden zwischen der Türkei und der kurdischen PKK und ihren Ablegern.

Auch die räumliche Nähe von russischen und amerikanischen Truppen in Ostsyrien hat Eskalationspotenzial. Eine Verschärfung der amerikanisch-iranischen Spannungen würde als erstes in Syrien ausgetragen. Vielleicht ist es gerade diese Berechenbarkeit der fortwährenden Katastrophe, die den Syrien-Konflikt so besonders deprimierend macht.

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