Nach Anschlag in Afghanistan Bundeswehr-Soldaten erschießen zwei Männer

Masar-i-Scharif · Die Sorgen um Afghanistan werden immer größer. Am Tag nach dem tödlichen Anschlag auf das deutsche Generalkonsulat erschießt die Bundeswehr in Masar-i-Scharif zwei Männer - angeblich Zivilisten.

 Masar-i-Scharif galt bislang als verhältnismäßig sichere Stadt

Masar-i-Scharif galt bislang als verhältnismäßig sichere Stadt

Foto: dpa

Nach dem Anschlag auf das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Scharif hat die Bundeswehr in der nordafghanischen Stadt zwei Motorradfahrer erschossen. Die beiden Männer sollen sich am Freitag über die Aufforderung, sofort anzuhalten, hinweg gesetzt haben. Zuvor waren beim Angriff von radikal-islamischen Taliban-Milizen auf das Konsulat mindestens vier Menschen getötet und 128 verletzt worden.

Die schwer beschädigte Auslandsvertretung muss nun vermutlich auf Monate hinaus geschlossen bleiben. Das Personal - etwa zwei Dutzend Diplomaten und andere Mitarbeiter - wurde in ein etwa zehn Kilometer entferntes Bundeswehr-Lager in Sicherheit gebracht. Alle Deutschen blieben unverletzt. Der Überfall löste aber neue Sorgen über die Entwicklung in Afghanistan aus. Die Bundesregierung will das deutscheEngagement nochmals auf den Prüfstand stellen.

Unklar war zunächst, warum die Motorradfahrer nicht anhielten. Der Sprecher des Gouverneurs der nordafghanischen Provinz, Munir Farhad, sagte, die beiden Männer seien Zivilisten gewesen und nicht, wie von den deutschen Soldaten befürchtet, weitere Taliban-Angreifer. Der Leiter des größten Krankenhauses der Stadt, Nur Mohammed Fais, bezeichnete die beiden als Angestellte eines Restaurants.

Die genaue Lage ist ungeklärt

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte dazu in Berlin, die Lage sei „noch nicht vollständig geklärt“. Die Motorradfahrer seien aber trotz „Signalmunition“ und Warnschüssen weitergefahren.

Masar-i-Scharif galt bislang als verhältnismäßig sichere Stadt. Das Konsulat wurde erst im Juni 2013 eröffnet. Im Bundeswehr-Lager Camp Marmal sind nach dem offiziellen Ende des internationalen Kampfeinsatzes derzeit noch etwa 800 deutsche Soldaten stationiert. Sie sollen bei der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte helfen.

Bei dem Anschlag am Donnerstagabend kam auch einer der Attentäter ums Leben. Die Taliban hatten gegen 23.00 Uhr (Ortszeit) einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in die fünf Meter hohe Schutzmauer des Konsulats gerammt. Dann zündeten sie eine Bombe, die auf der Ladefläche versteckt war. Ein zweiter Attentäter sei festgenommen worden, sagte Gouverneurssprecher Munir. Er korrigierte damit frühere Angaben, wonach es noch einen dritten Angreifer gab.

„Entweder soll sie die Ausländer loswerden oder die Taliban.“

Der genaue Hergang war allerdings am Tag danach noch immer unklar. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach von „schwer bewaffneten Terroristen“, die nicht nur auf das Gelände vorgedrungen waren, sondern auch ins Konsulatsgebäude. Nach Angaben der Bundeswehr gab es einen „anhaltenden Schusswechsel mit einer unbekannten Anzahl Angreifer“. Das Botschaftspersonal konnte sich in einen Schutzraum retten. Aus Sicherheitsgründen arbeiten die Diplomaten nicht nur in dem Konsulat, sondern leben auch dort.

Nach Krankenhaus-Angaben wurden mindestens 128 Menschen verletzt. Die Vereinten Nationen berichteten, dass unter den Verletzten auch 19 Frauen und 38 Kinder seien. Die Bombe richtete am Konsulat schwere Schäden an. Aber auch Privathäuser und Geschäfte waren betroffen. In der Straße ist nun ein etwa drei Meter tiefer Krater.

Ein Anwohner, Mirza Mohammed, berichtete, dass in weitem Umkreis in allen Häusern die Fensterscheiben herausgesprengt wurden. „Die Straßen sind voller Glas, Geschäfte haben keine Türen mehr.“ Ein Geschäftsmann, Abdul Khali, sagte: „Ich bin so böse auf die Regierung. Entweder soll sie die Ausländer loswerden oder die Taliban.“

Keine Bundeswehr-Beteiligung am Luftkampf

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums betonte hingegen, dass „aus derzeitiger Sicht vieles sehr gut gelaufen ist“. Er bestätigte aber auch, dass von Beginn des Angriffs bis zum Eintreffen der Soldatenam Konsulat 90 Minuten verstrichen. „Die Fahrt aus einem militärischen Camp hinaus in Afghanistan bedarf einer gewissen Vorbereitung“, sagte der Sprecher.

Die Taliban hatten sich noch in der Nacht zu dem Anschlag bekannt. Sie werfen Deutschland eine Mitschuld an einem US-Luftangriff auf Taliban in Kundus in der Nacht des 3. November vor, bei dem auch etwa 30 Zivilisten - darunter viele Kinder und Frauen - getötet wurden. Die Deutschen hätten den US-Streitkräften die notwendigen nachrichtendienstlichen Informationen zukommen lassen, sagte ein Taliban-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.

Nach Auskunft der Bundesregierung war die Bundeswehr am fraglichen Luftangriff nicht beteiligt. Im Auswärtigen Amt tagte am Freitag erneut der Krisenstab. Steinmeier sagte, dabei werde auch besprochen, ob der Anschlag Auswirkungen auf Deutschlands militärische und zivile Aktivitäten in Afghanistan haben werde.

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