Schmiergeldzahlungen Brasiliens Präsident Temer in Korruptionsaffäre angeklagt

Rio de Janeiro · Aus Sicht des obersten Strafverfolgers hat der Staatschef "das brasilianische Volk hintergangen": Michel Temer soll in Schmiergeldzahlungen verwickelt sein. Kommt der Präsident nun vor Gericht?

 Der brasilianische Präsident Michel Temer spricht im Präsidentenpalast Planalto in Brasilia.

Der brasilianische Präsident Michel Temer spricht im Präsidentenpalast Planalto in Brasilia.

Foto: Jose Cruz/Archiv

Kurz vor dem G20-Gipfel in Hamburg muss der brasilianische Präsident Michel Temer immer stärker um sein Amt bangen. Als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte des fünftgrößten Landes der Welt wurde Temer während seiner Amtszeit wegen Korruptionsverdachts angeklagt.

Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot reichte die Klage beim Obersten Gerichtshof in Brasilia ein. Ob es zum Verfahren kommt, hängt von zwei Hürden ab: Zunächst müssten zwei Drittel der Volksvertreter im Parlament für die Aufhebung der Immunität stimmen - das wären mindestens 342 der 513 Abgeordneten. Nach jetzigem Stand ist das unwahrscheinlich. Anschließend müsste der Gerichtshof für ein Verfahren stimmen; dann wäre Temer zunächst für 180 Tage seiner Aufgaben entbunden, berichtete das Portal "O Globo".

Temer hatte 2016 die Macht nach der Amtsenthebung der linken Präsidentin Dilma Rousseff übernommen. Der bei seinen Landsleuten äußerst unbeliebte Konservative steht seit Wochen selbst am Pranger - die Zustimmung zu seiner Amtsführung ist auf sieben Prozent gesunken.

Temer soll jahrelang Schmiergelder für seine Partei PMDB von dem Unternehmer Joesley Batista kassiert haben - der mit dem Präsidenten gebrochen hat und eigenen Angaben zufolge dem Korruptionssystem den Kampf angesagt hat. Der Besitzer des größten Fleischkonzerns der Welt, JBS, hatte Temer angezeigt und unter anderem einen heimlichen Mitschnitt eines Gesprächs zwischen den beiden der Justiz übergeben. Dieser legt den Verdacht nahe, dass ein in Haft sitzender Mitwisser von Schmiergeldgeschäften, Ex-Parlamentspräsident Eduardo Cunha, mit Geldzahlungen von Enthüllungen abgehalten werden sollte.

Janot beschuldigt Temer, Schmiergeldzahlungen akzeptiert und im Gegenzug zugunsten des JBS-Konzerns bei der Wettbewerbsbehörde interveniert zu haben. Als Beweis dafür legte er Fotos vor, auf denen zu sehen sein soll, wie Temers Vertrauter Rocha Loures von einem JBS-Direktor einen Geldkoffer mit umgerechnet knapp 150 000 Euro entgegennimmt. Der Abgeordnete wurde des Amtes enthoben - und ebenfalls angeklagt.

Janot sagte, Temer habe "das brasilianische Volk hintergangen". Die Aufnahmen von Rocha Loures mit dem Koffer seien ein Affront und ein Schlag ins Gesicht für alle Brasilianer.

Der Staatschef weigert sich bislang zurückzutreten, weil dies aus seiner Sicht einem Schuldeingeständnis gleichkäme. Vor Bekanntwerden der Anklage versicherte Temer, seine Regierung werde nicht über die Vorwürfe stürzen. "Nichts wird uns zerstören - weder mich noch meine Minister", sagte er bei einer Zeremonie am Regierungssitz.

Wegen des erbitterten Machtkampfs, der 2016 zur Absetzung Rousseffs führte, war Temer schon äußerst unbeliebt ins Amt gestartet. Seit Wochen gibt es im ganzen Land Demonstrationen, bei denen Temers Rücktritt gefordert wurde.

Angesichts von einem Wirtschaftseinbruch um 7,4 Prozent seit 2015 und fast 14 Millionen Arbeitslosen gab es zuletzt leichte Besserung, aber geplante Arbeitsmarkt- und Strukturreformen drohen durch die Regierungskrise blockiert oder verschleppt zu werden.

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