Die EU nach dem Referendum in Italien Brüssel bemüht sich um Gelassenheit

Brüssel · In der EU wird der Ausgang des Referendums in Italien kleingeredet. Führende Vertreter der Mitgliedsstaatendeuten das Ergebnis so aus, dass es nicht beunruhigend oder gar verunsichernd wirken sollte.

 Sieht keine Euro-Krise: Wolfgang Schäuble.

Sieht keine Euro-Krise: Wolfgang Schäuble.

Foto: AP

Am Morgen nach dem Wahldebakel in Italien bemühte sich Wolfang Schäuble um Ruhe: „Es gibt keinen Grund, von einer Euro-Krise zu reden und ganz sicher keinen, sie herbeizureden“, sagte der Bundesfinanzminister, bevor er mit seinen Euro-Kollegen in Brüssel zusammenkam. Und auch der Vorsitzende der Euro-Gruppe, der niederländische Kassenwart Jeroen Dijsselbloem, antworte auf die Frage, ob jetzt neue Probleme für unser Geld drohen: „Nein, das glaube ich nicht.“

Die Finanzminister nahmen es sogar als gutes Zeichen, dass ihr italienischer Kollege Pier Carlo Padoan kurzfristig seine Reise nach Brüssel abgesagt hatte. Sofort wurde spekuliert, Padoan sei als Nachfolger von Premier Matteo Renzi im Gespräch – eine Variante, die viel Zustimmung fand. Denn: „Italien braucht dringend eine handlungsfähige Regierung“, betonten die Finanzminister. Tatsächlich wünscht man sich in Brüssel und den EU-Hauptstädten nichts mehr, als dass das italienische Referendum über einen Staatsumbau so geräuschlos wie möglich an der Gemeinschaft vorbeigeht. Zum einen, damit Italien endlich sein gewaltiges Haushaltsdefizit von 133 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung anpacken und seine Problem-Banken sanieren kann. Zum anderen aber, um die Gegner Renzis von Rechts und Links in Schach zu halten.

„Neuwahlen wären Gift, weil sie für Verunsicherung sorgen würden“, betonten Diplomaten in Brüssel. Die Union ist nach der Brexit-Abstimmung dünnhäutig geworden und versucht mit allen Mitteln, das politische Ausfasern an den Rändern zu verhindern. 2017 wird, das weiß man, ohnehin ein schwieriges Jahr. In Frankreich droht die Front National unter Marine Le Pen zu erstarken. In den Niederlanden könnte der Rechtspopulist Geert Wilders zu neuer Größe wachsen. In Deutschland droht die AfD zweistellig zu werden. Schon allein die Ungewissheit, wie die Wahlgänge in drei der wichtigsten EU-Mitgliedstaten ausgehen, lähmt die Union – und damit alle ihren wichtigen Entscheidungen.

So beeilten sich führende Vertreter der Mitgliedstaaten denn auch, das italienische Ergebnis möglichst schnell so auszudeuten, dass es nicht beunruhigend oder gar verunsichernd wirken sollte. „Ich sehe keine Niederlage für Europa“, betonte Luxemburgs Außenamtschef Jean Asselborn. „Dies war eine innenpolitische Entscheidung Italiens.“ Das mag schon sein, aber sie bedeutet Rückenwind für die EU-Gegner. Marine Le Pen sah in dem Votum eine „Verurteilung Renzis und der EU“. Dagegen mühte sich Manfred Weber, Chef der christdemokratischen EVP-Mehrheitsfraktion im EU-Parlament, von den Spitzen der Union „Führung und konkret Antworten“ einzufordern. Udo Bullmann, Vorsitzender der deutschen Sozialdemokraten im Parlament, sprach von einem „letzten Weckruf für Europa“.

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