Diplomatische Krise Deutschland und Türkei bleiben auf Konfrontationskurs

Berlin/Istanbul · Keine Entspannung in der diplomatischen Krise zwischen Berlin und Ankara: Der türkische Präsident Erdogan fordert Deutschland zur Besinnung auf. Ein deutscher Minister vergleicht den Nato-Partner mit der DDR.

 Der deutschen Regierung reißt angesichts einer immer bedrohlicheren Menschenrechtslage in der Türkei der Geduldsfaden. Außenminister Sigmar Gabriel gibt im Auswärtigen Amt ein Statement anlässlich der diplomatischen Krise zwischen Türkei und Deutschland.

Der deutschen Regierung reißt angesichts einer immer bedrohlicheren Menschenrechtslage in der Türkei der Geduldsfaden. Außenminister Sigmar Gabriel gibt im Auswärtigen Amt ein Statement anlässlich der diplomatischen Krise zwischen Türkei und Deutschland.

Foto: Kay Nietfeld

Im schweren Konflikt zwischen Deutschland und der Türkei bleiben die Fronten verhärtet. Zu einer weiteren Eskalation kam es aber nicht.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wies die Vorwürfe der Bundesregierung wegen der Inhaftierung deutscher Staatsbürger zurück. Berichte, wonach im Zuge von Terrorvorwürfen gegen deutsche Unternehmen ermittelt werde, nannte er "böse Propaganda".

In Berlin verglich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Türkei mit der früheren DDR. Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen bezeichnete den Nato-Partner "auch als Gegner". Rüstungsprojekte mit der Türkei werden eingefroren.

Die Bundesregierung hatte am Donnerstag eine "Neuausrichtung" ihrer Türkei-Politik angekündigt. Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher wurden die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes für das beliebte Urlaubsland verschärft. Das Außenamt rät Türkei-Reisenden nun offiziell zu "erhöhter Vorsicht". Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte der "Bild": "Klar ist: Wer in die Türkei reist, verbringt seinen Urlaub leider nicht in einem Rechtsstaat."

Die verschärften Reisehinweise nannte Erdogan "unangebracht". Zugleich sicherte er deutschen Investoren in der Türkei Schutz zu. "So, wie allen internationalen Investoren stehen auch deutschen Firmen die Türen unseres Landes und Herzen unseres Volkes sperrangelweit offen." Zur Kritik von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD), der von Investitionen in der Türkei abgeraten hatte, sagte Erdogan: "Deutschland muss sich besinnen. Mit solchen Drohungen kann es uns niemals Angst machen."

Im Zusammenhang mit Forderungen der Bundesregierung nach einer Freilassung deutscher Gefangener wie Steudtner, Deniz Yücel und Mesale Tolu aus der Untersuchungshaft sagte Erdogan: "Sie müssen wissen, dass unsere Justiz unabhängiger ist als ihre." Der Präsident warf Deutschland erneut vor, Terroristen Unterschlupf zu gewähren.

Geplante und bereits bestehende Rüstungsprojekte mit der Türkei sind gestoppt. "Es kommen derzeit alle Anträge für Rüstungsexporte auf den Prüfstand", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Freitag in Berlin. Nähere Angaben machte sie nicht. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung davon berichtet. Bisher galt die Lieferung von Rüstungsgütern im Rahmen der Nato-Mitgliedschaft der Türkei als weitgehend unproblematisch.

Angesichts der Inhaftierungen von Menschenrechtlern und Journalisten sagte Schäuble: "Die Türkei verhaftet inzwischen willkürlich und hält konsularische Mindeststandards nicht ein. Das erinnert mich daran, wie es früher in der DDR war", sagte er der "Bild"-Zeitung (Freitag). "Wer dort gereist ist, dem war klar: Wenn Dir jetzt etwas passiert, kann Dir keiner helfen." Inzwischen sei die Türkei auch für deutsche Touristen zum Risikoland geworden, fügte Schäuble hinzu.

Aus Sicht des deutschen Verfassungsschutzes ist die Türkei wegen ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit in Deutschland zu einem Gegner geworden. "Wir betrachten die Türkei spätestens seit dem Putschversuch im vergangenen Sommer und den Veränderungen der türkischen Innenpolitik als Nachrichtendienst nicht nur als Partner, sondern mit Blick auf Einfluss-Operationen in Deutschland auch als Gegner", sagte Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Regierungsnahe türkische Medien reagierten empört auf die verschärfte Politik der Bundesregierung. "Bei uns ist die Justiz unabhängig, Hans", lautete die Schlagzeile auf dem Titel der Zeitung "Türkiye" am Freitag. Mit "Hans" umschreibt Erdogan regelmäßig die Deutschen. Für besonderen Unmut in Ankara sorgte am Freitag die Titelseite der "Bild"-Zeitung, auf der stand: "Türkei-Krise: Verhaftet Erdogan jetzt auch Urlauber?"

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