Letzte UN-Rede des US-Präsidenten Barack Obamas Abschied von den Vereinten Nationen

Washington · Der US-Präsident galt lange als Hoffnungsträger. Bei seinen Reden im UN-Gebäude in New York warb er für Frieden und Völkerverständigung. Sechs Jahre später hält er hier seine letzte Rede - und gilt vielen als gescheiterter Idealist.

Eine zwiespältige Bilanz hinterlässt Barack Obama. Der US-Präsident hält am Vormittag seine letzte Rede vor den Vereinten Nationen. FOTO: AFP

Eine zwiespältige Bilanz hinterlässt Barack Obama. Der US-Präsident hält am Vormittag seine letzte Rede vor den Vereinten Nationen. FOTO: AFP

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„Wenn wir nächstes Jahr wiederkommen, können wir eine Vereinbarung haben, die zu einem neuen Mitglied der Vereinten Nationen führen wird, ein unabhängiger, souveräner Staat Palästina, der in Frieden mit Israel lebt.“ Den Satz hatte Barack Obama voller Leidenschaft und Zuversicht im Herbst 2010 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) gesagt.

Sechs Jahre später tritt Amerikas Präsident am Vormittag zum letzten Mal hinter das steinerne Rednerpult im großen Saal am East River, um der Weltgemeinschaft ins Gewissen zu reden – gegen Armut und Atomwaffen, für Klimaschutz, Gleichberechtigung der Geschlechter und Gemeinwohl.

Eine Zweistaaten-Lösung ist jedoch Lichtjahre von der Realität entfernt. Stattdessen rüsten die USA Israel mit einem knapp 40 Milliarden Dollar schweren Militärprogramm auf. Für die Kritiker des in wenigen Wochen abtretenden Demokraten ist der Zustand des Ur-Konflikts im Nahen Osten ein Beleg unter vielen „für das Scheitern eines Idealisten, der sich die Welt schöner gewünscht hat, als sie ist“.

Ganz anders 2009. Als Obama mit dem Bonus des Hoffnungsträgers zum ersten Mal vor den Würdenträgern von heute 193 Mitgliedsländern seine Visitenkarte abgab, gerieten selbst die Zyniker in Verdrückung. Wie er von einer „atomwaffenfreien Welt“ schwärmte, wie er der von Vorgänger Bush gebeutelten muslimischen Welt einen „Neuanfang“ in Aussicht stellte, wie er sich für Amerikas „Arroganz“ entschuldigte, wie er Moskau, Peking wie Teheran eine Politik der „ausgestreckten Hand“ anbot und sämtliche „Achsen des Bösen“ mit emphatischer Rhetorik ausradierte, das machte nicht wenig Eindruck.

Obama unterfütterte sein militärisches Rückzugsversprechen, für das er 2008 nach der blutigen Verstrickung im Irak und in Afghanistan gewählt worden war, in den Folgejahren mit Leitsprüchen, die bis heute nachklingen. „Don't do stupid shit“ – Bau keinen Mist“, war der eine. „Nur weil wir den besten Hammer haben“ – (Obama meinte die mächtigste Streitmacht der Erde: Amerika) –, „ist nicht jedes Problem ein Nagel“, lautet der andere. Überreaktionen, Rücksichtslosigkeit, Abenteuer mit ungewissem Ausgang, das war seine Botschaft, würde es mit dem 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten nicht geben.

Wie zwiespältig diese passive Interpretation amerikanischer Stärke im realpolitischen Alltag ankam, sollte sich spätestens nach dem Giftgasangriff des Assad-Regimes in Syrien zeigen. Obama ignorierte die von ihm selbst gezogene „rote Linie“ für den Diktator, öffnete bei der chemischen Abrüstung Russland mit weitreichenden Konsequenzen die Tür und demonstrierte das, was weit über den Nahen Osten hinaus bis heute als Ausdruck amerikanischer Schwäche angesehen wird.

Nicht nur die feindseligen Republikaner in Washington, die mit Donald Trump den kompletten Gegenentwurf zu Obama ins Rennen schicken, werfen dem Commander-in-Chief vor, „eine noch unübersichtlichere und gefährlichere Welt zu hinterlassen“. Auch im eigenen Lager hat sich die Kritik eingenistet. „Das Vermeiden von Fehlern“, doziert der den Demokraten zugehörige Gelehrte William Galston, „bedeutet nicht zwangsläufig, dass man das Richtige tut.“

Obama, das belegen spätestens seine Reden vor der Weltgemeinschaft in den Jahren 2014 und 2015, hat inzwischen erkannt, dass Amerika als Garant einer globalen Hausordnung, die Mindestanforderungen des Zivilen erfüllt, nicht ersetzbar ist.

Der außerhalb jeder konventionellen Rechtsnorm geführte Drohnen-Einsatz gegen islamistische Bombenleger und Gesellschaftszersetzer ist das Markenzeichen des Friedensnobelpreisträgers geworden. Dem durch den „Islamischen Staat“ beschleunigt drohenden Zerfall der arabischen Welt, in der Saudi-Arabien und Iran als unheilvolle Gegenpole wirken, begegnete der Commander-in-Chief zuletzt mit einem Hightech-Dauer-Luftkrieg, der seiner offiziellen Doktrin der minimalen Einmischung widerspricht. „Obama hat zu spät erkannt, dass seine Selbstbescheidung die Kräfteverhältnisse im Nahen Osten nicht gerade zum Wohl der Welt verändert hat“, sagen ihm wohlgesonne Experten der Denkfabrik Brookings.

Kritiker halten dem gegen alles Militärische latent allergischen Rechtsgelehrten zugute, dass er die Grenzen und Widersprüche seines Handelns auch vor den Vereinten Nationen nie verborgen hat. Obama verspricht dort seit Jahren, dass der Islamische Staat ultimativ besiegt wird – seine Politik sei aber „nur darauf ausgerichtet, den Radius der Ultraradikalen so einzuengen, dass Amerika möglichst verschont bleibt“, kommentierte einmal das Magazin Politico. Nach seiner letzten Rede vor der UN-Vollversammlung, prophezeien Beobachter in US-Medien, „wird die Ernüchterung über die Lichtgestalt von einst groß sein“.

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