"Erhöhtes Festnahmerisiko" Auswärtiges Amt entschärft Reisehinweise für die Türkei

Berlin · Die Wahlen in der Türkei sind friedlich über die Bühne gegangen, der Ausnahmezustand ist aufgehoben. Das sorgt auch im deutsch-türkischen Verhältnis für Entspannungssignale.

Nach der Aufhebung des Ausnahmezustands in der Türkei hat das Auswärtige Amt die Reisehinweise für das bei deutschen Touristen beliebte Urlaubsland wieder leicht entschärft.

Eine ganze Reihe von Warnhinweisen im Zusammenhang mit dem Notstand wurde gestrichen. Das Ministerium weist aber immer noch darauf hin, dass es ein "erhöhtes Festnahmerisiko" gebe.

Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nahm die Bundesregierung auch von einer weiteren Sanktion gegen die Türkei Abstand: Von der Deckelung der staatlichen Hermes-Bürgschaften für Exporte in die Türkei.

Die Bundesregierung hatte die Reisehinweise vor fast genau einem Jahr am 20. Juli 2017 als Reaktion auf die Festnahme des Menschenrechtlers Peter Steudtner erstmals drastisch verschärft. Es war ein Kernelement einer neuen, härteren Türkei-Politik der Bundesregierung, für die vor allem der damalige Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) verantwortlich war. Vorausgegangen waren mehr als 20 Festnahmen deutscher Staatsbürger aus politischen Gründen seit dem gescheiterten Putschversuch 2016.

Im September 2017, kurz vor der Bundestagswahl, folgte eine weitere Verschärfung mit einer konkreten Warnung vor Festnahmen in Urlaubsgebieten wie Antalya, ein beliebtes Ziel deutscher Touristen. "Mit derartigen Festnahmen ist in allen Landesteilen der Türkei einschließlich der touristisch frequentierten Regionen zu rechnen", hieß es in den folgenden Monaten auf der Internetseite des Auswärtigen Amts.

Dieser Satz ist bereits seit dem 7. Mai dort nicht mehr zu finden. Am 24. Juni wurde dann in der Türkei Präsident Recep Tayyip Erdogan wiedergewählt, der jetzt eine noch größere Machtfülle hat. Gleichzeitig fanden die Parlamentswahlen statt, in denen Erdogans AKP als stärkste Kraft bestätigt wurde, aber die absolute Mehrheit verlor. Wenige Tage danach - am 27. und 28. Juni - sowie am Tag nach der Aufhebung des nach dem gescheiterten Putschversuch ausgerufenen Ausnahmezustands - dem vergangenen Donnerstag - überarbeitete das Auswärtige Amt die Reisehinweise nochmals.

Warnungen vor Notstandsregelungen, wie zum Beispiel vor 14-tägigem Polizeigewahrsam ohne Vorführung bei einem Haftrichter oder vor bis zu siebenjähriger Untersuchungshaft, wurden gestrichen. Die Warnung vor Festnahmen wurde auch ganz generell etwas abgeschwächt. Während bisher die Rede davon war, dass die Wahrscheinlichkeit von Verhaftungen "deutlich angestiegen" sei, heißt es jetzt: "Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen."

Die Behörden würden den Betroffenen in der Regel die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder der sogenannten Gülen-Bewegung vorwerfen, die Erdogan für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht. "Auch geringfügige, den Betroffenen unter Umständen gar nicht bewusste oder lediglich von Dritten behauptete Berührungspunkte mit dieser Bewegung oder mit ihr verbundenen Personen oder Unternehmen können für eine Festnahme ausreichen", heißt es in den Hinweisen weiter.

Für die türkische Regierung dürfte das Wichtigste sein, dass es die explizite Warnung für die Feriengebiete nicht mehr gibt. Antalya liegt im Wahlkreis des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu, der bei einem Besuch der Internationalen Tourismusbörse in Berlin im März eindringlich für eine Aufhebung der Reisehinweise geworben hatte. "Die aktuelle Reisewarnung entspricht nicht der Realität in der Türkei. Und sie spiegelt auch nicht die aktuellen bilateralen Beziehungen wieder", sagte er schon damals.

Der Türkei-Tourismus hat sich trotz der Reisehinweise des Auswärtigen Amts ohnehin schon erholt. Cavusoglu hofft darauf, dass Rekordzahlen wie die 5,6 Millionen deutschen Touristen von 2015 bis Ende 2018 wieder erreicht werden können. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Türkei-Besucher aus Deutschland angesichts von Terrorgefahr und Festnahmen deutscher Staatsbürger bei nur 3,6 Millionen.

Neben den Reisehinweisen hatte die Bundesregierung die Deckelung der Hermes-Bürgschaften bei 1,5 Milliarden Euro als Strafmaßnahme veranlasst. Auch die blieb aber folgenlos, weil die Obergrenze sehr hoch angesetzt wurde. Der Umfang der finanziellen Absicherung stieg sogar. Die "FAZ" berichtet in ihrer Samstagausgabe unter Berufung auf das Bundeswirtschaftsministerium, dass die Deckelung in diesem Jahr nicht fortgesetzt werden soll.

Hermes-Bürgschaften sollen deutsche Exportunternehmen vor Verlusten durch ausbleibende Zahlungen ihrer ausländischen Geschäftspartner schützen. Die Türkei zählt zu den Ländern, für die diese Absicherungen am stärksten in Anspruch genommen werden. 2016 wurden nur für Russland, Ägypten und die USA mehr Hermes-Bürgschaften erteilt.

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