Deutsch-Türkisches Verhältnis Ankara beklagt deutsche „Folter“ an türkischer Politikerin

Istanbul · Die türkische Parlamentsvizepräsidentin soll am Köln/Bonner Flughafen drangsaliert worden sein. Für die türkische Regierung steht fest: Das ist ein handfester Skandal. Im Gegenzug erschwert Ankara nun deutschen Diplomaten die Einreise.

 Empört über die deutsche Polizei: Recep Tayyip Erdogan.

Empört über die deutsche Polizei: Recep Tayyip Erdogan.

Foto: AP

Nach mehreren Krisen in den vergangenen Monaten sind die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland inzwischen so zerrüttet, dass ein an sich harmloser Zwischenfall ausreicht, um neuen Krach auszulösen. Eine 45-minütige Ausweisüberprüfung deutscher Polizisten bei einer türkischen Politikerin zog jetzt die Einbestellung des deutschen Botschafters Martin Erdmann ins türkische Außenamt nach sich. Die regierungstreue Presse spricht von „Folter“, während Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Zwangsmaßnahmen gegen deutsche Politiker droht.

Anlass ist die angebliche Drangsalierung der stellvertretenden Parlamentspräsidentin Ayse Nur Bahcekapili durch Bundespolizisten am Köln/Bonner Flughafen in der vergangenen Woche. Bahcekapili war während eines Besuches in Deutschland der Pass gestohlen worden, weshalb sie mit Ersatzpapieren der türkischen Botschaft nach Hause fliegen wollte. Laut Bundespolizei ging aus diesen Dokumenten aber nicht der Diplomatenstatus der Politikerin der Erdogan-Partei AKP hervor, weshalb die Überprüfung notwendig gewesen sei.

Was aus deutscher Sicht eine reine Routineangelegenheit war, stellte für die Türkei einen ausgewachsenen Skandal dar. Bahcekapili warf den Polizisten vor, sie hätten versucht, sie festzunehmen. Auf ihren Hinweis, dass sie wegen der Überprüfung möglicherweise ihren Flug verpasse, hätten die Polizisten entgegnet, das interessiere sie nicht. Türkische Politiker hätten ein Recht auf respektvolle Behandlung, wie auch deutsche Gäste in der Türkei mit Respekt behandelt würden, sagte die Parlamentsvizepräsidentin.

Erdogan warf den Deutschen wegen der Aufnahme von Regimegegnern vor, Terroristen Unterschlupf zu gewähren, aber gleichzeitig türkische Politiker festzusetzen. „Und dann nennen sie Erdogan einen Diktator.“ Die Türkei solle künftig mit deutschen Politikern dasselbe machen, falls die verantwortlichen Beamten nicht zur Rechenschaft gezogen würden. Auch türkische Parlamentsvertreter und Oppositionspolitiker protestierten gegen das Vorgehen der Kölner Polizei.

Zumindest zum Teil gilt die öffentliche Empörung dem eigenen Publikum in der Türkei: Erdogan will den Wählern demonstrieren, dass sich das Land auf der internationalen Bühne nicht herumschubsen lässt. Gleichzeitig zeigt sich das wachsende Misstrauen gegenüber dem Westen im Allgemeinen und gegenüber den Deutschen im Besonderen. Schon die Armenierresolution des Bundestages im Juni hatte für erhebliche Verwerfungen gesorgt. Auch die Weigerung Berlins, türkische Regierungsgegner an Ankara auszuliefern, hat Erdogan verärgert.

Regierungskritische türkische Intellektuelle und Journalisten werden in Deutschland mit offenen Armen aufgenommen, während sie von der Erdogan-Regierung als Staatsfeinde verfolgt werden. In Europa könnten Terroristen frei herumlaufen, schimpfte Erdogan.Damit wird die Ausweiskontrolle am Köln/Bonner Flughafen aus Sicht von Erdogan und seiner Anhänger zum Bestandteil einer internationalen Verschwörung gegen das Land. Bahcekapili sagte, der Vorfall hänge damit zusammen, dass die Türkei ein aufstrebender Staat sei. Auch der starke Kursverfall der türkischen Lira in jüngster Zeit wird von Erdogan feindlichen Kräften zugeschrieben.

Nach Verzögerungen bei der Ausreise der türkischen Parlamentarierin aus Deutschland hat die Türkei einem Medienbericht zufolge die Einreise für deutsche Diplomaten erschwert. Die Nachrichtenagentur DHA meldete, seit dem Vorabend gelte eine Regierungsanordnung, wonach Deutsche mit Diplomatenpass bei der Passkontrolle am Istanbuler Atatürk-Airport befragt würden. Erst nach einer rund einstündigen Befragung am größten Flughafen des Landes werde ihnen die Einreise in die Türkei erlaubt.

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