Wahl in den USA Analyse: So lief das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Hillary Clinton

WASHINGTON · Donald Trump und Hillary Clinton haben in einem hitzigen, über weite Strecken die Grenze zur Unhöflichkeit verletzenden TV-Duell ihre engsten Anhänger befriedigt. Wobei in acht von zehn Fällen Trump den Rüpel gab.

Ob die beiden Kandidaten für die Präsidentschaftswahl in Amerika bei ihrem ersten Schlagabtausch in der Hofstra-Universität von Long Island auch die entscheidende Wählergruppe der Unabhängigen und Unentschlossenen beeinflussen konnten, werden die Umfragen der nächsten Tage zeigen.

Dass Hillary Clinton dabei im Vorteil ist, hat sich in dem 90 Minuten dauernden Zweikampf, der inhaltlich keine Neuigkeiten brachte, eindrucksvoll gezeigt. Clinton hat die Debatte klar gewonnen. Trump wird bis zum zweiten Aufeinandertreffen am 9. Oktober mit dem Verlierer-Image klarkommen müssen.

Bei nahezu allen Fragen (in den meisten Wortwechseln standen sich Behauptungen gegenüber, die von den Wählern im Saal oder vom Fernsehpublikum spontan nicht überprüft werden konnten) bewies die frühere Außenminsterin solides Kontext-Wissen und Problembewusstsein.

Trump dagegen fing da an, wo er nach einem Jahr Dauerwahlkampf im rein republikanischen Milieu aufgehört hat: beim meist faktenfreien Schwadronieren und pauschalen Herabwürdigen, bei Verschwörungstheorien und absurden Übertreibungen.

Trump, nach wie vor ohne Detailwissen, hat keinen Anlass zu der Vermutung gegeben, er könne bis zum Wahltag am 8. November den Übergang vom politischen Raufbold zum potenziellen Commander-in-Chief schaffen.

Um die erste Debatte zu gewinnen, hätte Donald Trump präsidiabel, geduldig, höflich, kenntnisreich und interessiert erscheinen müssen. Leider kannte man - von seinem verzerrten Bild eines Landes am Abgrund über sein vernichtendes Urteil über die politische Klasse in Washington bis hin zu seiner selbst empfundenen Großartigkeit als Geschäftsmann - alles, was er zu sagen wusste. Und davon stimmen erfahrungsgemäß und belegbar zwei Drittel nicht.

Paradebeispiele: Trump hat fünf Jahre lang nachweisbar die Mär genährt, Präsident Obama sei kein echter Amerikaner - er bestreitet das. Trump war nachweisbar für den Irak-Krieg - er bestreitet das. Diese Lügen werden nachwirken.

Trump wirkte spätestens nach den ersten 20 Minuten unangenehm fahrig, wütend, arrogant und belehrend. Seine rechte Hand zuckte immer wieder nach oben. Wie ein verlängerter Zeigestock in der Schule. Donald Trump hat vor einem Millionen-Publikum zu keiner Zeit plausibel machen können, warum er für das höchste Staatsamt geeignet sein könnte. Im Gegenteil. Clinton hat recht, wenn sie sagt. „Donald, ich weiß, du lebst in deiner eigenen Realität.“

Hillary Clinton darf die Debatten-Premiere als Erfolg verbuchen, der ihren Sinkflug in den Umfragen der vergangenen Wochen stoppen kann. Sie hat Trumps Einladung zum Kleinkrieg nicht angenommen und keine relevanten Fehler gemacht. Sie stand über den Dingen, als sie seine penetranten Unterbrechungen ignorierte. Wann immer Trump log oder die Fakten bog, und er log und bog oft, versagte sie sich abfällige Gesten.

Mit einer fast sympathisch lockeren Leichtigkeit, die man so noch nie bei Clinton in den letzten Monaten gesehen hat, ließ sie ihren Kontrahenten aber nicht nur gekonnt auflaufen. Sie konterte jeden seiner Angriffe mit gezielten, wirkungsvollen Nadelstichen. Sie stellte Trump als Rassisten und Frauenfeind dar. Und der Lautsprecher konnte sich nicht einmal wehren. Peinlich. Dass ihr Ton dabei offensiv-charmant aber nicht auf Charakterzerstörung aus war, könnte Clinton bei jenen Wählern auf die Butterseite fallen, die in ihr seit 30 Jahren latent eine berechnende Furie sehen.

Kehrseite: Hillary Clinton ist es nicht gelungen, wirklich Begeisterung und Leidenschaft für ihre Kandidatur zu erzeugen. Ihre Kommunikation mit dem Volk an den Fernsehschirmen draußen im Land war dafür immer noch zu kontrolliert und auf Fehlervermeidung abgeschmeckt. Auch die in vielen Punkten grundsätzlich berechtigte Kritik Trumps am Zustand der Vereinigten Staaten - ökonomisch, finanziell etc. - hat die 68-Jährige nicht ausreichend entkräften oder mit plausibel klingenden Konzepten bedienen können. Da muss mehr kommen.

Fazit: Hillary Clinton hat sechs Wochen vor der Wahl bei ihrem ersten großen Bewerbungsgespräch vor dem amerikanischen Volk solide gepunktet. Eine bezwingende Vision für die nächsten vier Jahre bot sie nicht. Donald Trump hat dagegen das berechtigte und weit verbreitete Urteil bestätigt, dass der Präsidenten-Job für ihn definitiv mehrere Nummern zu groß ist. Was sich allerdings in den Umfragen nicht abbildet. Dort herrscht noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Entschieden ist noch überhaupt nichts. (mit Inhalten von dpa)

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