Kommentar zu den Abstimmungen in Österreich und in Italien An einem Strang ziehen

Meinung | Brüssel · Alexander Van der Bellen hat die Präsidentenwahl in Österreich gewonnen. Der rechtspopulistische Siegeszug durch die Mitgliedstaaten scheint zumindest unterbrochen, vielleicht sogar gestoppt. Jetzt ist die EU gefragt. Ein Kommentar von Detlef Drewes.

Zumindest in Österreich hat es kein europäisches Desaster gegeben. Denn dort wurde der Präsidentschaftskandidat, der sich für die Gemeinschaft und sogar für Mildtätigkeit gegenüber den Flüchtlingen ausgesprochen hat, gewählt. Was vielleicht noch wichtiger ist: Alexander Van der Bellen, der künftige österreichische Bundespräsident, hat seinen Vorsprung deutlich ausbauen können. Noch bevor die Ergebnisse aus Italien vorlagen, wo es ebenfalls Befürchtungen eines Umschwenkens zugunsten EU-kritischer Bewegungen gab, war das Aufatmen also groß. Der rechtspopulistische Siegeszug durch die Mitgliedstaaten scheint zumindest unterbrochen, vielleicht sogar gestoppt.

Nicht der Mut zum Brexit hat Schule gemacht, sondern die Betroffenheit der Briten nach ihrer Entscheidung, als ihnen klar wurde, was sie nun verlieren werden, nachdem sie Lügnern und Hetzern auf den Leim gegangen sind. Das lässt hoffen – für Frankreich, für die Niederlande, für Deutschland. In den drei zentralen Staaten der Union wird 2017 gewählt – und überall stehen starke rechtspopulistische Strömungen bereit, um es den Regierungsparteien schwer zu machen.

Die EU gibt dabei ein schwaches Bild ab. In der Flüchtlingskrise hielt man nicht zusammen, sondern opferte die offenen Grenzen. Italien musste sich alleine um die Migranten kümmern, Österreich und vor allem Deutschland auch. Von Lastenteilung kann vielleicht bei der Regionalförderung die Rede sein, nicht aber bei den brennenden Problemen, die die Menschen betreffen. Diese EU erscheint nicht mehr wie der Helfer gegen die Globalisierung, sondern – siehe Freihandelsabkommen wie Ceta oder TTIP – als deren Wegbereiter. Das schafft Ängste, nicht neue Sicherheit.

Dabei haben die Staaten längst alle Rezepte zur Abhilfe beschlossen – von der Haushaltssanierung über feste Migranten-Quoten bis hin zu Modellen zur Zukunftssicherung für die sozialen Systeme. Man müsste sie eigentlich nur umsetzen. Das Problem ist nicht die EU, sondern die Doppelzüngigkeit der Regierungen, die in Brüssel Reformfreudigkeit fordern und zu Hause das „Weiter so“ praktizieren.

Das österreichische Wahlergebnis eignet sich als Lehrbeispiel. Weil es die unmissverständliche Aussage eines kleinen Landes ist, in dem die Menschen verstanden haben, wie wenig sie den aktuellen Krisen entgegenzusetzen haben, wenn sie nicht Teil einer starken Union bleiben. Österreich, Italien, ja sogar die großen Staaten wie Deutschland und Frankreich können Sicherheit und Wohlstand nur garantieren, wenn sie zusammen an einem Strang ziehen. Nationalismus ist kein Konzept, das Zukunft hat.

Um diesen Vertrauensvorschuss zu rechtfertig, erwarten die Menschen von der EU mehr als sie derzeit leistet. Über gute oder schlechte Lösungen kann man streiten. Gar keine Antwort auf eine Krise finden zu können, heißt zu scheitern. Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU in der nächsten Woche wieder in Brüssel zusammenkommen, warten die Bürger wieder auf Antworten: Wie soll die Flüchtlingsfrage solidarisch gelöst werden? Wie kann Europa sich gegen äußere Bedrohungen wehren? Auf welche Weise will die EU Terroristen das Handwerk legen? Wer Rechtspopulisten wie in Österreich stoppen will, braucht Ergebnisse – nicht nur Beschlüsse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Bürger wollen Europa nicht aufgeben. Sie fordern aber sehr wohl Lösungen – für ihr Land und damit auch für die Union.

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