Für 640 Millionen Menschen Absage an Trump-Politik: EU und Japan planen Freihandelszone

Brüssel · Freihandel statt Abschottung: Dieses politische Signal wollen die EU und Japan unmittelbar vor dem G20-Gipfel unbedingt setzen. Dabei steht das Kleingedruckte ihrer neuen Partnerschaft längst noch nicht.

 Ausstellungsräume der Toyota Motor Corp. in Tokio: Das zwischen der EU und Japan geplante Freihandelsabkommen wird lange Übergangsfristen zum Schutz sensibler Wirtschaftsbereiche enthalten.

Ausstellungsräume der Toyota Motor Corp. in Tokio: Das zwischen der EU und Japan geplante Freihandelsabkommen wird lange Übergangsfristen zum Schutz sensibler Wirtschaftsbereiche enthalten.

Foto: Shizuo Kambayashi/Illustration

Die Wirtschaftsriesen Europa und Japan wollen sich ab 2019 zur größten Freihandelszone der Welt zusammenschließen. Kurz vor dem G20-Gipfel verkündeten beide Seiten eine Grundsatzeinigung - verbunden mit der klaren Absage an die Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump.

Wirtschaftsverbände priesen die Chancen des geplanten Handelspakts für rund 640 Millionen Menschen. Doch es gab auch lautstarke Kritik.

Die Europäische Union und Japan wollten die "prinzipielle Einigung" auf das Abkommen und das politische Signal gegen Protektionismus unbedingt noch vor dem G20-Treffen in Hamburg zustande bringen. Dafür nahmen sie in Kauf, dass wichtige Details noch zu klären sind.

Das dürfte nach Einschätzung von EU-Beamten noch Monate dauern. Sollten die letzten Verhandlungen und die Ratifizierung glatt gehen, könnte der Pakt Anfang 2019 in Kraft treten. In den folgenden Jahren könnten dann Schritt für Schritt Zölle und Handelshemmnisse abgebaut werden.

"Wir haben es geschafft", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach Gesprächen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe. "Obwohl einige sagen, dass die Zeiten von Isolationismus und Zerfall zurückkommen, zeigen wir, dass dies nicht der Fall ist. Die Welt muss wirklich nicht die Zeit um 100 Jahre zurückdrehen."

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, vor dem Treffen in Hamburg übermittelten die EU und Japan eine starke Botschaft für ein auf Regeln gestütztes internationales System. Auch Abe sprach von einem "starken Willen", sich protektionistischen Tendenzen entgegenzustellen. Er betonte zudem die strategische Partnerschaft auch bei anderen Fragen wie Klimaschutz, Sicherheit und Katastrophenhilfe und die gemeinsamen Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Erklärte Ziele der beiden Partner sind vor allem Wachstum und neue Jobs. Japan ist nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und damit ein äußerst interessanter Absatzmarkt für europäische Unternehmen. Allerdings fürchten beide Seiten auch Konkurrenz für heimische Branchen.

In den Verhandlungen hat Japan nach EU-Angaben akzeptiert, dass der europäische Zoll auf japanische Autos von derzeit zehn Prozent erst sieben Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens komplett abgebaut sein wird. Die Regierung in Tokio handelte im Gegenzug zum Beispiel Schutzklauseln für japanische Bauern aus.

Die deutschen Industrieverbände BDI und DIHK und die Autoindustrie, aber auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder und der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff lobten das geplante Abkommen. Allerdings forderten sie, in den weiteren Verhandlungen auch im Detail ausgewogene Lösungen zu finden. Man sorge sich nach wie vor wegen Handelshemmnissen, warnte der Verband der Automobilindustrie. Der Chef der Welthandelsorganisation WTO, Roberto Azevedo, begrüßte die grundsätzliche Einigung als "fantastische Neuigkeit".

Scharfe Kritik kam dagegen von den Grünen und von Umweltverbänden. "Erneut verspielt Juncker heute die Chance, den Welthandel demokratisch, transparent und gerecht zu gestalten", erklärte die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Eine breite öffentliche Debatte und hohe soziale und ökologische Standards fehlten.

Grünen-Europapolitikerin Ska Keller nannte das überhastete Vorgehen unseriös. Die Globalisierungskritiker von Attac bezeichnen das Abkommen als brandgefährlich. Es drohten die Erosion von Verbraucherschutz, Druck auf Arbeitnehmer und eine undemokratische Paralleljustiz.

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