Fehlalarm per SMS 38 Minuten in Angst: Falscher Raketenalarm in Hawaii

Honolulu · Seit Monaten lebt Hawaii in Furcht vor einem Raketenangriff aus Nordkorea - am Samstagmorgen schien er unmittelbar bevorzustehen. Erst nach einer halben Stunde war klar: Fehlalarm.

"Dies ist keine Übung", hieß es in der Nachricht, die am Samstagmorgen (Ortszeit) auch als Laufband im aktuellen TV-Programm eingeblendet wurde. Die Bevölkerung solle unverzüglich Schutz suchen.

Die Behörde korrigierte ihre eigene Nachricht 13 Minuten später über Soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook, weitere 25 Minuten später dann auch noch einmal via SMS. "Keine Raketenbedrohung für Hawaii", hieß es in der kargen Botschaft. Auch die US-Streitkräfte teilten mit, sie hätten keine Anzeichen für eine Raketenbedrohung.

Unklar blieb bis zum Sonntag, wie viele Menschen in Hawaii von der falschen Warnung betroffen waren. Öffentliche Warnungen gehen in den USA über die am System beteiligten Mobilfunknetze aber normalerweise direkt an alle Handys, die im jeweiligen Bereich eingeloggt sind - also auch an die von Besuchern.

Ein EMA-Sprecher sagte, jemand habe fälschlicherweise die Informationskette ausgelöst, die zu der Handy-Warnung geführt habe. Man habe "den falschen Knopf gedrückt" , hieß es weiter. Der Mitarbeiter soll seinen Fehler schnell bemerkt haben, als sein eigenes Handy die Warnmeldung ausspuckte. Über mögliche Konsequenzen für den Mann wollte der Sprecher keine Angaben machen.

Hawaii liegt nach Einschätzung von Experten in Reichweite von Raketen aus Nordkorea. Das Land hat trotz UN-Verboten zahlreiche Raketen und auch Atomwaffen getestet. Ende November feuerte Nordkorea erneut eine Interkontinentalrakete zu Testzwecken ab. Die Führung erklärte kurze Zeit später, das Land könne jetzt das gesamte US-Festland mit Atomsprengköpfen angreifen. Nach Schätzungen des US-Physikers David Wright könnte eine nordkoreanische Rakete etwa 37 Minuten nach Abschuss in Hawaii einschlagen.

US-Präsident Donald Trump und die international isolierte Führung in Pjöngjang unter Staatschef Kim Jong Un lieferten sich 2017 einen rhetorischen Schlagabtausch, der international die schlimmsten Befürchtungen auslöste. Trump hat mehrfach mit Gewalt gedroht, sollte Nordkorea die Drohungen gegenüber den USA fortsetzen. Die Führung in Pjöngjang gab an, sie lasse Atomwaffen nur zur Verteidigung entwickeln.

Nach Angaben des Weißen Hauses wurde der Präsident über den Fehlalarm auf Hawaii unterrichtet - mit dem Hinweis, dass es sich um eine örtliche Übung handele. Auch auf der Pazifikinsel Guam, einem US-Außengebiet, hatte es im vergangenen August einen falschen Raketenalarm gegeben. Auch Guam ist in Reichweite Nordkoreas.

Im Bundesstaat Hawaii leben nach offiziellen Angaben gut 1,5 Millionen Menschen. Zudem halten sich jederzeit Zehntausende Touristen auf den Inseln aus - im Januar 2017 etwa reisten nach Angaben der örtlichen Tourismusbehörde insgesamt mehr als 750.000 Menschen nach Hawaii.

Gouverneur David Ige entschuldigte sich für den Fehler. "Das hätte nicht passieren dürfen", sagte er bei einer Pressekonferenz. Es werde daran gearbeitet, dass sich derartiges nicht wiederholen könne. Ige - anders als der Republikaner Trump ein Mitglied der demokratischen Partei - twitterte: "Wir müssen außerdem alles tun, um Frieden und Deeskalation mit Nordkorea zu fordern."

Die Behörden kamen unter Zugzwang, weil offenbar viele Menschen unnötig in große Angst versetzt wurden. Die Bundes-Katastrophenschutzbehörde FEMA leitete eine Untersuchung ein. Der deutsche Honorarkonsul in Hawaii, Dennis Salle, machte jedoch eine Lehre aus dem Fehler deutlich: "Im Ernstfall wäre der größte Teil der Bevölkerung völlig ungeschützt gewesen."

Die Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard aus Hawaii sagte, viele Menschen hätten Todesangst gehabt. "Die Leute bekamen die Nachricht und dachten: 15 Minuten. Wir haben 15 Minuten, dann können wir und unsere Familien tot sein." Diesen Zeitraum zwischen Alarmierung und Einschlag hatten die Behörden in Hawaii unter anderem in einem Informationsschreiben im Oktober 2017 vorgerechnet.

Die Berliner Autorin Sabine Landgraber erlebte den Vorfall auf Hawaii - und war "ziemlich geschockt" von der verwirrenden Nachricht. "Ich habe die Nachricht gelesen und dachte erst, das ist ein Scherz", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. In den Medien sei empfohlen worden, sich im Haus zu verschanzen oder sich auf den Boden zu legen, wenn man gerade mit dem Auto unterwegs sei. "Auf der anderen Seite hatte ich immer noch das Gefühl, dass das alles nicht sein kann." Stutzig gemacht habe sie, dass keine Sirenen angegangen seien. Das Sirenensystem wird separat ausgelöst und war nicht von dem Fehler betroffen.

Auch die Top-Golfprofis der Welt, die sich auf Hawaii zu einem PGA-Turnier befanden, wurden von dem falschen Alarm verschreckt. US-Profi J.J. Spaun verschanzte sich im Keller seines Hotels, wie er auf Twitter schrieb. Und sein Landsmann John Peterson twitterte: "Mit meiner Frau, Baby und Schwiegereltern unter Matratzen in der Hotelbadewanne. Lieber Gott, bitte lass den Raketenalarm nicht echt sein". Nach der Entwarnung ergänzte Peterson seinen Tweet: "Oh Mann, wie kann man nur so auf den falschen Knopf drücken".

Weitere Infos

  • In Deutschland ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) dafür zuständig, die Bürger im Notfall schnell zu warnen. Über ein modernes System können nach offiziellen Angaben amtliche Warnmeldungen in Katastrophenfällen (beispielsweise Hochwasser, Unwetter, Sturmflut) oder bei Zivilschutzangelegenheiten (beispielsweise Luftkriegsgefahren, großräumige radiologische Gefahren) in Sekundenschnelle an verschiedenste Kanäle übertragen werden. Warnmeldungen werden nach BBK-Angaben durch den Bund oder die Innenministerien der Bundesländer verschickt, im Verteidigungsfall ist der Bund zuständig.

Die Warnungen gehen vor allem an Rundfunk- und Fernsehanstalten, Paging-Dienste, Rauchmelder mit Funkempfängern, Internetprovider, die Deutsche Bahn und die Warn-App des Bundes ("Nina"), die Smartphone-Nutzer über Push-Benachrichtigungen wecken kann.

Die Verantwortlichen von Bund und Ländern geben ihre Warndurchsagen über eine grafische Oberfläche im seit 2013 existenten Modularen Warnsystem (MoWaS) ein, diese werden dann per Satellit an einen zentralen Warnserver übertragen. Dadurch erreichen Warnungen gezielt die betroffene Region und den relevanten Empfängerkreis, wie das Bundesamt auf seiner Homepage schreibt.

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