Konflikte Dutzende Tote nach Angriffen der Türkei auf Kurden in Syrien

Damaskus/Ankara · Jahrelang war die Rebellenhochburg Daraja im Süden Syriens vom Regime belagert. Nun wurden Tausende Aufständische und Bewohner evakuiert. Im Norden starben Dutzende Menschen bei Luftangriffen der Türkei auf Kurden.

 Türkische F-16: Bei Luftangriffen in Nordsyrien sind nach Angaben von Menschenrechtlern zahlreiche Zuvilisten ums Leben gekommen.

Türkische F-16: Bei Luftangriffen in Nordsyrien sind nach Angaben von Menschenrechtlern zahlreiche Zuvilisten ums Leben gekommen.

Foto: Michael Walczak/Archiv

Fünf Tage nach der türkischen Invasion in Syrien sind bei Angriffen auf kurdische Truppen Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Bei zwei Bombardements der türkischen Luftwaffe seien am Sonntag mindestens 35 Zivilisten gestorben.

Weitere 75 Menschen seien bei den Luftangriffen verletzt worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Dagegen sprach die türkische Armee von 25 Mitgliedern der Kurdenmiliz YPG, die bei Luftangriffen im Bereich der syrischen Grenzstadt Dscharablus umgekommen seien.

Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete unter Berufung auf das Militär, YPG-Kämpfer hätten zuvor das Feuer eröffnet. Fünf Gebäude, die die Kurdenmiliz benutzt habe, seien zerstört worden. Die türkischen Streitkräfte hätten "alle Vorkehrungen getroffen, dass die in der Region lebende Zivilbevölkerung nicht zu Schaden kommt", hieß es offensichtlich mit Blick auf die Berichte über getötete Zivilisten. In dieser Hinsicht gehe die Armee mit "äußerstem Feingefühl" vor, hatte der Generalstab in Ankara schon zwei Tage nach Beginn der Offensive erklärt.

Die türkische Armee war am Mittwoch zusammen mit Rebellenverbänden in den Norden Syriens einmarschiert. Der Vorstoß gilt einerseits der Vertreibung der Terrormiliz Islamischer Stat (IS). Zugleich will das türkische Militär aber auch die kurdischen Kämpfer in Nordsyrien zurückdrängen.

Am Samstag waren Verbände des Militärbündnisses Demokratische Kräfte Syriens (SDF) erstmals mit türkischen Einheiten zusammengestoßen. Dabei wurde auch ein türkischer Soldat getötet. Drei weitere Militärs wurden verletzt, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu mitteilte. Es war der erste Bericht über türkische Opfer seit dem Start des türkischen Militäreinsatzes. Bei den SDF handelt es sich um ein von der Kurdenmiliz YPG angeführtes Bündnis, das vor allem die Terrormiliz IS bekämpft und von den USA unterstützt wird.

Nach Angaben der syrischen Menschenrechtsbeobachter starben bei einem türkischen Angriff auf das Dorf Dschub al-Kusa nahe der syrisch-türkischen Grenze am Sonntag mindestens 20 Unbeteiligte. 50 weitere seien verletzt worden. In einer zweiten Attacke hätten türkische Kampfflugzeuge einen Bauernhof südlich der Grenzstadt Dscharablus getroffen. Dort hätten Familien Unterschlupf vor den Kämpfen in der Region gesucht. Wenigstens 15 Menschen seien dort gestorben, 25 weitere verletzt worden.

Die Kurden kontrollieren bereits große Gebiete an der Grenze zur Türkei und haben dort eine Selbstverwaltung errichtet. Die türkische Regierung will verhindern, dass die Kurden noch mehr Gebiete unter ihre Kontrolle bringen. Sie befürchtet Auswirkungen auf die kurdischen Autonomiebestrebungen im eigenen Land. Die Kurdenpartei PYD und die Miliz YPG sind eng mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden, die von der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird.

Im Süden Syriens steht die einstige Rebellenhochburg Daraja nach mehrjähriger Belagerung seit Samstag wieder unter Kontrolle des syrischen Regimes. Zuvor hätten - wie von der Staatsführung und Aufständischen vereinbart - Einwohner und Kämpfer den wenige Kilometer südlich der Hauptstadt Damaskus gelegenen Ort verlassen dürfen, berichteten Aktivisten und Staatsmedien am Samstag.

Daraja war seit 2012 von der Armee und deren Verbündeten belagert worden. Mitte vergangener Woche wurde nach mehrtägigen Verhandlungen die Evakuierung vereinbart. Mehr als 3200 Menschen, darunter Zivilisten und Kämpfer, seien in Bussen aus Daraja weggebracht worden. Etwa 800 Kämpfer seien in die von Rebellen beherrschte nordwestliche Provinz Idlib gebracht worden.

Die Regierung hat damit über einen weiteren Teil des Hinterlandes von Damaskus - der Machtbasis von Präsident Baschar al-Assad - die Kontrolle zurückgewonnen. In anderen Teilen gelten teils lokale Waffenruhevereinbarungen. Oppositionelle werfen der Regierung vor, Erfolge lediglich durch Belagerung und Aushungern erreicht zu haben. Nach UN-Schätzung leben in dem Bürgerkriegsland derzeit etwa 600 000 Menschen in belagerten Orten, die Stadt Aleppo nicht mitgezählt.

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