Kein Ende der Gewalt Über 400.000 Binnenflüchtlinge in Afghanistan seit Januar

Kabul · In Afghanistan sind seit Jahresbeginn mehr als 400.000 Menschen vor Kampfhandlungen aus ihren Heimatorten geflohen. Das geht aus einem Bericht der UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) hervor.

 Zwei Mädchen laufen durch ein Flüchtlingslager für Binnenvertriebene in Kabul.

Zwei Mädchen laufen durch ein Flüchtlingslager für Binnenvertriebene in Kabul.

Foto: Hannibal/Archiv

Demnach waren allein in der vergangenen Woche rund 12.300 Menschen heimatlos geworden.

Im früher als eher ruhig geltenden Norden und Nordosten, wo bis 2013 die Bundeswehr Schutzmacht war und wo sie immer noch ein großes Feldlager unterhält, würden mittlerweile 31 Prozent aller Kriegsvertriebenen registriert, melden die UN. Der regelmäßig veröffentlichte Bericht, der auch detaillierte Schilderungen von Kämpfen zwischen radikalislamischen Taliban und Sicherheitskräften enthält, verzeichnet zum Beispiel für die umkämpfte Provinz Sar-e Pul allein in der vergangenen Woche fast 7000 Binnenflüchtlinge.

In den Ostprovinzen Nangarhar und Kunar, wo die Taliban ihre Rivalen von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekämpfen, seien in der vergangenen Woche 4500 Menschen aus zehn Bezirken geflohen, heißt es in dem Bericht weiter. Die Kämpfe eskalierten seit Mitte Oktober und hätten seitdem rund 61.000 Menschen zu Kriegsflüchtlingen gemacht.

Im vergangenen Jahr waren mehr als 660.000 Afghanen aus ihren Dörfern geflohen. Für 2017 hatten die UN zu Jahresbeginn rund 450.000 weitere Zwangsvertriebene erwartet.

Kurz vor Weihnachten ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu einem zweitägigen Truppenbesuch in Afghanistan eingetroffen. Sie landete am Montag im deutschen Feldlager im nordafghanischen Masar-i-Scharif.

Die Besuche der Verteidigungsminister in Afghanistan kurz vor Weihnachten haben Tradition. Der verlustreichste Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr läuft bereits seit 16 Jahren, inzwischen nur noch als Ausbildungsmission. Derzeit sind knapp 1000 deutsche Soldaten in Afghanistan im Einsatz, die meisten in Masar-i-Scharif. Vergangene Woche verlängerte der Bundestag den Afghanistaneinsatz um weitere drei Monate.

Derweil droht der freiwillige oder erzwungene Rücktritt eines mächtigen Gouverneurs Afghanistan auch in eine politische Krise zu stürzen. Der Präsidentenpalast gab bekannt, dass der langjährige Gouverneur der Provinz Balch, Atta Mohammed Nur, zurückgetreten sei. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Nurs Partei Dschamiat-e Islami protestierte jedoch dagegen.

Nur war seit 2004 Gouverneur von Balch. Er gilt als Gegner des Präsidenten Aschraf Ghani, der mit dem Dschamiat-Politiker Abdullah Abdullah die - stark zerstrittene - Einheitsregierung führt.

Das Präsidialamt benannte sofort einen Nachfolger für Nur. In einem Protestbrief sprach Nurs Oppositionspartei Dschamiat-e Islami jedoch von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte.

Ein Sprecher der Dschamiat-Partei sagte, dass Parteichef Salahuddin Rabbani, der Außenminister ist, Termine einer Griechenlandreise abgesagt habe und am Abend heimkehren werde. Zu Gerüchten, dass die Partei alle ihre Mitglieder aus der Regierung zurückziehen wolle, sagte Fetrat: "Wir werden das morgen (Dienstag) gemeinsam diskutieren." Auch Atta Mohammed Nur werde dabei sein.

Nur meldete sich zunächst nicht zu Wort. Er hatte Balch regiert wie ein König, war aber ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan. In Balch liegt ein großes Lager der Bundeswehr, die dort auch Einsätze von anderen Nato-Staaten ermöglicht.

Bei dem Angriff mutmaßlicher Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf ein Gebäude des Geheimdienstes NDS sind in der afghanischen Hauptstadt Kabul alle drei Angreifer getötet worden. Außerdem sei ein Polizist verletzt worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Nadschib Danisch, am Montag. Zivilisten kamen demnach bei dem mehr als sechsstündigen Polizeieinsatz nicht zu Schaden.

Der IS hatte die Tat über die üblichen Kanäle im Internet für sich reklamiert und behauptet, zwei Selbstmordattentäter geschickt zu haben.

Die Angreifer waren am Morgen in ein unbewohntes Haus neben dem NDS-Trainingszentrum im Viertel Afschar eingedrungen und hatten von dort aus auf das Gebäude geschossen. Ein Geheimdienstmitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte, man habe ein Auto voller Waffen und Sprengstoff sichergestellt.

Der Sender Scheba hatte am Morgen auf Twitter Bilder von einer verrauchten Straße, Mauerbruchstücken und zwei brennenden Autowracks gezeigt. In Kabul gab es in diesem Jahr rund 20 schwere Anschläge mit Hunderten Toten und Verletzten.

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