Kommentar zur Kanzlerkandidatendebatte der SPD Zur Unzeit

Meinung | Bonn · Olaf Scholz hat gut zweieinhalb Jahre vor regulärem Ablauf der Legislaturperiode mitgeteilt: Er kann Kanzler. Das ist ein Affront gegen die eigene Parteichefin, der zur Unzeit kommt.

Olaf Scholz kann – Andrea Nahles in ziemliche Nöte bringen. Es ist zwar noch gut zweieinhalb Jahre hin, bis in Deutschland – jedenfalls nach regulärem Ablauf der Legislaturperiode – der nächste Bundestag neu gewählt wird. Aber Vizekanzler Scholz hat schon einmal wissen lassen: Er kann auch Kanzler. Das ist ein Affront gegen die eigene Parteichefin, der nach üblichen demokratischen Gepflogenheiten das Recht des ersten Zugriffs auf die Kanzlerkandidatur der SPD zustünde.

Scholz dürfte sich mit seiner Selbstausrufung keine neuen Freunde gemacht, erst recht nicht seine Chancen auf eine Kanzlerkandidatur gesteigert haben. Sein bislang letztes Wahlergebnis bei der Wahl zum SPD-Vize ist mit 59,2 Prozent – gelinde gesprochen – ausbaufähig. Echte Liebe unter Genossen sieht anders aus. Die Parteilinke hat der Bundesfinanzminister damit neu munitioniert. Und auch sonst weht ihm Gegenwind entgegen – auch aus dem SPD-Landesverband NRW.

Scholz demonstriert mit seiner überambitionierten Offensive zur Unzeit, dass er bereit ist, die Geschlossenheit der SPD und seine Loyalität zur Parteichefin hinter das eigene Karriereziel zu stellen. Das ist keine besonders vornehme Visitenkarte des früheren Ersten Bürgermeisters von Hamburg. „Herr Lehrer, ich weiß was!“, kam noch nie gut an. Außerdem braucht die SPD im Jahr der Europawahl und von drei Landtagswahlen im Osten Aufbauhilfe und keine Debatte über eine Kanzlerkandidatur. Womöglich hat Scholz mit seinem kontraproduktivem Vorstoß Nahles am Ende sogar gestärkt. Das hätte er dann geschafft.

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