„Acht Jahre sind genug“ Wolfgang Schäuble wird Bundestagspräsident

Berlin · Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wechselt im Spätherbst seiner politischen Karriere nochmal die Rolle und wird Bundestagspräsident.

 Die politische Rede bleibt sein Element, auch wenn Wolfgang Schäuble als designierter Bundestagspräsident bald nicht mehr vom Rednerpult im Plenum aus agieren wird.

Die politische Rede bleibt sein Element, auch wenn Wolfgang Schäuble als designierter Bundestagspräsident bald nicht mehr vom Rednerpult im Plenum aus agieren wird.

Foto: dpa

Die Tage der Abschiedstournee sind vorbei. In der vorvergangenen Woche war Wolfgang Schäuble noch einmal bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Einmal noch Händeschütteln in der alten Funktion mit IWF-Chefin Christine Lagarde. Oder mit Steven Mnuchin, seinem Finanzminister-Pendant auf US-Seite.

Wenn er, der Herr über die schwarze Null im Bundeshaushalt, seit mittlerweile acht Jahren Bundesminister der Finanzen, diesen Posten nun räume, bestehe jedenfalls kein Grund zur Sorge. „Deutschland wird seinen verlässlichen Kurs fortsetzen“, ließ Schäuble die Partner in der Welt wissen.

Warum er überhaupt geht? „Acht Jahre als Finanzminister sind genug“, hatte Schäuble in Washington in einer Diskussionsrunde mit dem früheren Bundesbank-Präsidenten Axel Weber vergleichsweise lapidar als Grund für seinen Rückzug vom vermutlich einflussreichsten Posten im Bundeskabinett hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel angegeben. So einfach ist das. Genauso einfach, wie er einmal auf eine Frage, ob es ein gutes Zeichen für Demokratie sei, wenn der Wähler in seinem Wahlkreis Offenburg seit mehr als vier Jahrzehnten nur einen einzigen Direktkandidaten kenne, trocken geantwortet hat: „Der (Wähler) hat’s gut.“

Der "Herzenseuropäer"

Schäuble regiert dort gewissermaßen seit 45 Jahren. Zu seinem 75. Geburtstag rollten in Offenburg eigens Bundeskanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an. Großer Bahnhof für den „Herzenseuropäer“, wie Merkel ihren Finanzminister nannte. Jener Mann, der in der CDU-Spendenaffäre für eineinhalb Jahre Vorsitzender der Bundes-CDU war, ehe ihn der Umgang mit Spenden des zwielichtigen Waffenhändlers Karlheinz Schreiber sowohl den Parteivorsitz als auch den Fraktionsvorsitz im Bundestag kostete. Szenen einer langen, bewegten politischen Karriere.

Sollte Schäuble in diesen Tagen vielleicht doch nicht ganz freiwillig seinen Posten als Finanzminister räumen, weil für eine Jamaika-Koalition Raum für eine grundlegende Personalrochade sein muss, so hat er geschickt verstanden, dies zu verbergen. Von der Washingtoner Bühne der internationalen Geldpolitik sagte Schäuble noch, er hoffe, dass die potenziellen Koalitionspartner CDU, CSU, FDP und Grüne bis Weihnachten einen wasserdichten Koalitionsvertrag unter Dach und Fach hätten.

Schäuble, der Euro-Bändiger, jener Mann, der den Griechen harte Spar- und Reformauflagen abverlangte, wechselt nun in eine neue Rolle. Weiter gilt: „Ich bin Parlamentarier mit Leib und Seele.“ Als Bundestagspräsident könnte Schäuble zum AfD-Dompteur werden. Schon bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages an diesem Dienstag droht Ungemach.

Schäuble vielleicht als AfD-Dompteur gefragt

Die Stimmung könnte hochkochen, wenn die Stellvertreter Schäubles gewählt werden. Die nationalkonservative AfD will Albrecht Glaser zu einem der Vizepräsidenten machen. Doch Glasers Kandidatur stößt in allen anderen Fraktionen auf Ablehnung. Glaser hatte den Islam nicht als Religion, sondern als politische Ideologie bezeichnet und damit die Religionsfreiheit infrage gestellt. Sollte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland tatsächlich den Eklat wagen, wäre Schäuble gefragt.

Seine schneidende, manchmal auch zynische Art könnte ihm dabei helfen, die neue Fraktion der Alternative für Deutschland darauf hinzuweisen, dass man im Hohen Haus auch entsprechend zu handeln und zu reden habe. Denn Schäuble weiß: Früher oder später fällt manches Zitat auf seinen Urheber zurück.

Zum Beispiel dieses: „Der Mann ist nur deshalb Kanzlerkandidat geworden, weil er nicht Parlamentspräsident bleiben konnte“, lästerte Schäuble einmal über SPD-Chef Martin Schulz. Jetzt ist Schäuble selbst dabei, Parlamentspräsident zu werden, eventuell auch, weil er Finanzminister bleiben konnte. Aber nein: „Acht Jahre sind genug.“

Ein stabiles "Sie" zwischen Merkel und Schäuble

Merkel jedenfalls muss sich einen neuen Bundesfinanzminister suchen. Ihr Verhältnis zu Schäuble war nicht frei von Spannungen. Die Bundeskanzlerin hat ihm die Kandidatur für das Bundespräsidentenamt versperrt. Und sie trug auch seinen ganz harten Kurs gegen Griechenland nicht mit, als Schäuble einen „Grexit“ ins Spiel brachte. Dieser wiederum machte keinen Hehl daraus, dass er Merkels Flüchtlingspolitik zumindest für leichtsinnig hielt. Die beiden haben es nicht zum „Du“ geschafft. Irgendwann war der Zeitpunkt verpasst.

Aber mit einem stabilen „Sie“ lässt sich gut arbeiten. Schäuble gab den harten, hoch rationalen, bisweilen kalten Kassenwart, der die gemeinsame europäische Währung in der Griechenland-Krise davor schützte. Merkel: „Er hat die notwendige Härte, die es eben auch in einem Führungsamt braucht“. Die Griechen hatten seine Bedingungen zu akzeptieren: Reformen gegen Geld. Er setzte ein Ultimatum: sonst „isch over“. Jetzt „isch over“ – für Schäuble im Finanzministerium. Als Bundestagspräsident wächst Schäuble protokollarisch zum zweiten Mann im Staate. Merkel ist die Nummer drei, aber damit kann sie in diesem Fall gut leben.

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