Fastenhirtenbrief des Kölner Erzbischofs Woelki: Die Kirche wird eine andere werden

KÖLN/DÜSSELDORF · Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat Reformen in den Gemeinden angekündigt. "Wir befinden uns in einer Zeit des Übergangs", heißt es im Fastenhirtenbrief des Erzbischofs, der am Wochenende in den Gottesdiensten verlesen wurde. Aus der Gestalt des Christentums, die lange Zeit prägend gewesen sei, könne keine Norm für die Zukunft abgeleitet werden.

Zur Entlastung und Sicherung der Seelsorge plädiert Woelki für kleine Glaubensgemeinschaften, die im Nahbereich ihrer Nachbarschaft tätig und auf die andere aufmerksam werden. "Wir brauchen solche religiösen Tankstellen, um unser religiöses Leben vor Austrocknung zu bewahren." Mit solchen geistlichen Gemeinschaften würden sich die Seelsorgebereiche und Pfarreien zu pastoralen Räumen entwickeln, in denen karitative Einrichtungen, Kindertagesstätten oder kirchliche Schulen vernetzt sein werden. So bleibe Kirche vor Ort erlebbar.

Weiter verlangte Woelki eine Ausweitung des Blicks auf jene Menschen, die am Rande der Kirche stünden oder Gott nicht kennten. "Es darf uns doch nicht nur um die sieben bis zwölf Prozent derer gehen, die sonntags die Heilige Messe mitfeiern", so der Kardinal. "Vielmehr haben wir auch die anderen 85 bis 90 Prozent im Blick zu halten, und zwar so, dass diese innerlich beteiligt sind, mit Christus in Verbindung kommen und sich selbst als einen lebendigen Teil von Kirche erfahren.

Woelki setzt sich in seiner Düsseldorfer Predigt, der ersten in seiner Eigenschaft als Kölner Erzbischof, mit dem letzten Wort Jesu am Kreuz "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" auseinander, sorgt seine Auslegung des Rufs Gottes an Abraham "Ziehe in ein Land, das ich dir zeigen werde" im größten deutschen Erzbistum für Aufregung. Zumindest unter denen, die am Samstagabend bereits den ersten Fastenbrief ihres neuen Erzbischofs unter dem Titel "Du sollst ein Segen sein" gelesen haben.

Der Grund: Kardinal Woelki lässt keinen Zweifel aufkommen, dass sich die katholische Kirche grundlegend verändern wird: "Vieles war in unserem Leben so lange stabil. Wir wussten, wer dazugehört, wie man zu leben hatte, was richtig und falsch ist. Was heute nottut, ist eine neue und nachhaltige Form des Kirche-Seins, die unter anderem zur Entlastung, aber auch zur Sicherung der Qualität pastoraler Arbeit führt."

Während sich Kardinal Woelki in der Predigtkirche seines evangelischen Amtsbruders Präses Manfred Rekowski Gedanken über die vielen ungezählten Menschen unserer Tage macht, die leben wollen, aber nicht dürfen, auf dem Mittelmeer wegen see-untauglicher Boote umkommen oder in den Bürgerkriegen von Syrien, Libyen oder der Ukraine sterben, macht er in seinem Fastenbrief deutlich: In der größten Erzdiözese Deutschlands, in der die Mitgliederzahl von 1980 bis 2013 um eine halbe Million auf 2,05 Millionen sank und in der der Gottesdienstbesuch inzwischen unter zehn Prozent liegt, sind wahrscheinlich die Tage der gewohnten Parochialgemeinden (auch in Form von Seelsorgeverbänden) gezählt: "Wenn wir eine Kirche mit Zukunft sein wollen, dann dürfen wir uns nicht in den Käfig der Vergangenheit verkriechen."

Er spricht von "pastoralen Räumen", in der alle kirchliche Arbeit gebündelt wird - vom Kindergarten bis zur Caritas, von der Seelsorge bis zur Beratung, von der Schule bis zum Krankenhaus: "So bleibt Kirche auch im pastoralen Raum vor Ort erfahrbar."

Zugleich plädiert er für "geistliche Gemeinschaften" in kleinen Gruppen, die allerdings nicht mit Kuschelecken verwechselt werden dürften. Abraham nennt Kardinal Woelki als Vorbild, der sich im hohen Alter dem Ruf Gottes nicht verweigert, aus seinem Vaterhaus in ein Land ziehen soll, das er nicht kennt. Die Umgestaltung der Kirche ist darum für den Kardinal keine administrative, sondern eine geistliche Arbeit. Woelki: "Wer Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, lässt Gott ertrinken. Wer Menschen zu Tode quält, quält Gott zu Tode."

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