Mögliche Kanzlerkandidatur Wie sich die Grünen für einen Bruch der Groko wappnen

BERLIN · Öffentlich winken die Grünen noch ab bei der Frage, ob sie sich mit der Möglichkeit einer Grünen-Kanzlerkandidatur beschäftigten. Doch natürlich spielen die Grünen an der Spitze von Partei und Bundestagsfraktion ein solches Szenario durch.

 Grünes Erfolgsgespann: Annalena Baerbock, Robert Habeck.

Grünes Erfolgsgespann: Annalena Baerbock, Robert Habeck.

Foto: dpa

Was wäre, wenn….? Sie wollen gewappnet sein. Vorbereitet, falls diese große Koalition doch vor der Zeit zerbricht. Natürlich spielen die Grünen an der Spitze von Partei und Bundestagsfraktion ein solches Szenario durch, auch wenn sie öffentlich bei der Frage abwinken, ob sie sich beispielsweise mit der Möglichkeit einer Grünen-Kanzlerkandidatur beschäftigten. „Personen sind jetzt nicht unser Thema“, antwortete Parteichefin Annalena Baerbock zuletzt auf die Frage, ob die Grünen nicht nach dem Kanzleramt greifen wollten, sollte es zu Neuwahlen kommen.

Ihre Partei werde für Inhalte gewählt. Schließlich seien die Grünen „Bündnispartei“ und würden sich deshalb seit geraumer Zeit durch Bündnisse mit unterschiedlichsten Akteuren – von Gewerkschaften über Umweltgruppen bis hin zum Arbeitgeberlager – bewusst breit aufstellen.

Doch Wahlerfolge wie zuletzt bei der Europawahl, als die Grünen mit 20,5 Prozent zur zweitstärksten Kraft deutlich vor der SPD gewählt wurden, lösen Erwartungen aus. Auch vor diesem Hintergrund sagt Parteichef Robert Habeck, der medial bereits als möglicher nächster Bundeskanzler gehypt wird: „Uns allen ist klar, dass eine große Verantwortung auf uns zukommt.“ Die einstige Anti-Parteienpartei ist wenige Monate vor ihrem 40. Geburtstag im Januar 2020 ziemlich erwachsen geworden. Grüne Blüten, grüne Träume.

Aktuelle Welle der Zustimmung ist anders

Aber auch grüne Ängste: Denn die Ökopartei hat mehr als einmal erlebt, dass sie wenige Wochen vor einem Wahltag aus einem Umfragehoch wieder auf einstellige Zustimmungswerte geschrumpft wurde. Doch die aktuelle Welle der Zustimmung ist nach Einschätzung führender Grüner anders: Sie sei seit Monaten stabil, wohl auch, weil sie ein breites Fundament in der Bevölkerung habe, heißt es in Parteizentrale und Bundestagsfraktion.

Aber Wahlsiege wie zuletzt bei der Europawahl können auch eine Bürde sein. Denn die Grünen wissen: Mehrheiten können schnell wieder wechseln. Jetzt müssen sie Ergebnisse liefern und den Kampf gegen den Klimawandel als gegenwärtiges Lieblingsthema eines großen Teils der Bevölkerung entscheidend nach vorne bringen. Das Ende des Verbrennungsmotors bei Neuwagen haben die einstigen Ökopaxe für 2030 längst ausgerufen. Die Massentierhaltung wollen sie reduzieren, ebenso den Einsatz von Gift auf den Äckern.

Noch keine Mehrheit für Gesetzesinitiativen

Noch haben sie als kleinste Oppositionspartei keine Mehrheit für eigene Gesetzesinitiativen. So arbeiten sie weiter an Konzepten und haben zuletzt ihr Modell einer Kindergrundsicherung (Kosten: zehn Milliarden Euro jährlich) vorgelegt, denn: „Jedes Kind soll mit fairen Chancen ins Leben starten“, so Baerbock. Noch in dieser Woche wollen sie Eckpunkte für ein CO2-Preismodell vorstellen. Die Klimakrise sei eine „Generationenaufgabe“, sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unlängst. Baerbock wiederum bringt ein „Bürgerenergiegeld“ ins Gespräch, das Belastungen aus der Kohlendioxid-Bepreisung ausgleichen soll. Demnach müsste der Verbrauch von einer Tonne Kohlendioxid rund 40 Euro kosten, um eine Wirkung hin zu einer Energiewende zu entfalten.

Derweil durchforsten sie ihre Papiere aus den letzten Jamaika-Verhandlungen nach Lücken und rüsten sich zugleich für den Fall eines Bruchs der Regierung, auch wenn Habeck sagt, er erwarte und hoffe, „dass diese Legislaturperiode gedeihlich zu Ende geht“. Falls nicht, wäre „die Situation gekommen, wo die Menschen noch einmal neu wählen sollten“, so Co-Vorsitzende Baerbock. Die Grünen wollen auf alles eingestellt sein: auch auf vorgezogene Neuwahlen im Frühjahr 2020, wie in der Partei ein möglicher Zeitpunkt taxiert wird. Mit wem die Grünen dann im Koalitionsboot – nach Jamaika oder sonst wohin – segeln könnten, lassen sie offen: Bündnispartei.

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