Podiumsdiskussion Wie man den Frauenanteil in Parlamenten erhöht

Bonn · Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin außer Dienst, und Juristin Silke Laskowksi haben im Bonner Juridicum über Gleichberechtigung in der Politik diskutiert. Ihr Fazit: Nur ein Gesetz kann für ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen sorgen.

 Rita Süssmuth (CDU) setzte sich in ihrer aktiven politischen Karriere stets für Frauenrechte.

Rita Süssmuth (CDU) setzte sich in ihrer aktiven politischen Karriere stets für Frauenrechte.

Foto: dpa

Juristin Silke Laskowski hat eine Vision: Eine deutsche Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Nicht nur auf dem Papier, sondern im gesellschaftlichen Alltag. Eine unverzichtbare Voraussetzung, die dafür in ihren Augen erfüllt sein muss, ist Parität in der Politik. Also Parlamente, die zu gleichen Teilen mit beiden Geschlechtern besetzt sind.

Die Realität sieht anders aus: Im Deutschen Bundestag sitzen seit dieser Legislaturperiode knapp 31 Prozent Frauen. Ähnlich sieht es in den Länderparlamenten aus, in den Kommunen ist der Anteil mit 25 Prozent noch geringer. „Wir leben in verfassungswidrigen Zuständen“, ist Laskowski sich sicher. Das Wahlrecht verhindere „die Beseitigung bestehender Nachteile“.

Am 30. November 2016 reichte sie stellvertretend für mehr als 150 Kläger eine Popularklage am Bayrischen Gerichtshof ein. Mit diesem in Deutschland einzigartigen Mittel erlaubt die bayrische Verfassung es jedem Bürger, den Bayerischen Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen, ob gegen Recht verstoßen wird. Am 26. März dieses Jahres kam die Ernüchterung: Der Gerichtshof wies die Klage ab. Begründung: Männern und Frauen die gleichen Zugangsvoraussetzungen zu Parlamenten zu geben, sei ausreichend. „Wenn ich ehrlich bin, war das einkalkuliert“, erklärte Laskowski am Donnerstagabend im Bonner Juridicum rund 80 Zuhörern. Größtenteils Frauen waren zur Podiumsdiskussion des Deutschen Juristinnenbundes gekommen.

Aber die Niederlage in Bayern sei kein Grund zum Aufgeben, sagte Laskowksi. Im Gegenteil. Da der Gerichtshof in der 74-seitigen Urteilsbegründung sich teilweise widerspreche, sei das Urteil eine gute Grundlage für eine Verfassungsbeschwerde. Die will sie nun einreichen.

Kein Nicht-Können, sondern ein Nicht-Gelassen-Werden

Neben ihr auf dem Podium saß Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin außer Dienst, ehemalige Bundesgesundheitsministerin, im Zuge der Umbenennung des Ministeriums auch erste Frauenministerin der Bundesrepublik und 2017 Mitunterzeichnerin der „Göttinger Erklärung für ein Paritätsgesetz“. Sie schilderte entscheidende Momente der Gleichberechtigungsbewegung: die Einführung des Frauenwahlrechts 1918, die Zeit der Trümmerfrauen, „die ein ganzes Volk wieder aufgerichtet haben“, oder die Festschreibung der Gleichberechtigung im Grundgesetz 1949 durch Elisabeth Selbert.

Dass Frauen heute immer noch seltener in der Politik oder in Führungspositionen zu finden seien, sei „kein Nicht-Können, sondern ein Nicht-Gelassen-Werden“. „Die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist immer noch ein Kernproblem...Die Zukunftsfähigkeit des Landes hängt nicht von der besseren Ausbildung der Frauen ab – gut ausgebildete Frauen haben wir – sondern von der Veränderung der Strukturen“, sagte die CDU-Frau. „In Deutschland fehlt die Motivation zu handeln und neu aufzubrechen.“ Der Grundsatz „wer tüchtig ist, schafft es allein“ ignoriere die Realität, dass nicht alle dieselben Voraussetzungen haben. „Die Zeit für Trippelschritte ist vorbei. Ich lasse mich nicht mehr mit 30 Prozent abspeisen. Wir sind keine Bittsteller mehr, sondern Menschenrechtler“, forderte die 81-Jährige energisch.

„Was hierzulande fehlt, ist ein unkomplizierter Umgang mit dem Thema Gleichberechtigung“, ergänzte Laskowski. Der 'Feminismus-Stempel' könne sich immer noch als Karrierekiller erweisen. Ein Paritätsgesetz sei durchaus eine Lösung, das habe das Beispiel Frankreich bewiesen. Seit 2001 müssen die Kandidatenlisten dort je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt werden, sonst werden sie nicht zugelassen. Bei den Direktkandidaten habe sich die Praxis bewährt, nur noch nicht-gleichgeschlechtliche Duos aufzustellen. Ein Mangel an Kandidatinnen bestehe dort jedenfalls nicht. Freiwilligkeit sei keine Lösung, das hätten die letzten hundert Jahre bewiesen. Nun sei der Gesetzgeber in der Pflicht.

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