Bundestagswahl 2017 Wie ältere Menschen die Wahl entscheiden

Berlin · Die Parteien richten ihr politisches Angebot immer stärker an den Interessen der Älteren aus. Jüngere haben das Nachsehen.

Kritische Fragen zur Pflege und zur Rente – das waren die emotionalen Höhepunkte in den beiden ARD-„Wahlarenen“, in denen repräsentativ ausgesuchte Zuschauer den Kanzlerkandidaten von Union und SPD auf den Zahn fühlen konnten. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hatte Mühe, die wütende Kritik eines jungen Altenpflegers an der katastrophalen Zeitnot des Personals in den Pflegeheimen zu kontern.

Die SPD witterte prompt ihre Chance. Kandidat Martin Schulz versprach eine Woche später bei seinem TV-Auftritt an diesem Montag einen kompletten „Neustart“ in der Pflegepolitik – mit mehr Pflegeplätzen, mehr Personal und vor allem mit einer um 30 Prozent höheren Bezahlung für die Altenpfleger.

Kaum jemand kann das Thema Pflege ignorieren

Das hohe Interesse des Wahlvolks am Pflegethema verwundert kaum. Die Gesellschaft ist gealtert, und kaum eine Familie kann das Thema der möglichen Pflegebedürftigkeit der Großeltern oder Eltern heute noch ignorieren. Zudem nimmt das Durchschnittsalter der 61,5 Millionen Wähler beständig zu. Die Hälfte von ihnen ist bereits über 52 Jahre alt, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) gerade errechnet hat. Mit über 36 Prozent werden die über 60-Jährigen bei der Bundestagswahl am Sonntag die größte Gruppe unter den Wahlberechtigten stellen.

Im Vergleich zu 1980 wuchs ihre Altersgruppe um über sieben Prozentpunkte. Es wird so weiter gehen: Nach der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung könnten ab 2040 rund 45 Prozent der Wahlberechtigten mindestens 60 Jahre alt sein, davon 30 Prozent über 70 Jahre.

Die älteren und alternden Wähler beschäftigt besonders, wie sie ihre letzten Lebensjahre verbringen werden. Themen wie Pflege und Rente kommen auch deshalb auf den letzten Wahlkampf-Metern stärker auf. Doch auch die innere und äußere Sicherheit haben bei Älteren einen höheren Stellenwert als bei Jüngeren. Mehr Videoüberwachung, mehr Kontrolle im Netz – für Ältere sind solche Forderungen weniger problematisch als für Jüngere.

Alt und Jung haben wenig gemeinsame Themen

Zukunftsthemen wie Klimaschutz, Digitalisierung, Ganztagsbetreuung von Schulkindern, Gebührenfreiheit für Kitas oder Universitäten und vor allem die „Ehe für alle“ interessieren Senioren dagegen weniger. „Alle Parteien kümmern sich zu wenig um die Zukunft der jungen Generationen“, beklagte der frühere Finanzminister Theo Waigel (CSU) unlängst bei „Anne Will“ im Ersten.

Hinzu kommt, dass die Wahlbeteiligung Älterer in der Regel deutlich höher ist als die der Jüngeren. In Großbritannien zeigte sich, dass für den Austritt aus der EU vor allem die Älteren gestimmt hatten, die Jungen waren mehrheitlich für den EU-Verbleib. Sie gingen nur weniger zur Wahl und wurden deshalb überstimmt. Auch bei der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten war das zu beobachten.

Ältere Wähler tendieren mehr als Jüngere zu den großen Volksparteien – und im Vergleich der beiden eher zur Union als zur SPD. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben 46 Prozent der über 70-Jährigen die Partei von CDU-Ministerpräsident Armin Laschet gewählt. Auch bei der Bundestagswahl 2013 holte die Union bei den über 70-Jährigen mit 43,6 Prozent ihr bestes Wahlergebnis.

Jüngere können immerhin auf die Solidarität der Älteren hoffen. „Wir sprechen ausdrücklich nicht von einem Generationenkonflikt, nach dem Motto Alt gegen Jung. Viele Rentner haben Kinder und Enkel und können sich in deren Lebenssituation hineinfühlen“, betont BiB-Experte Tim Aevermann.

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